Die Erfindung des boshanlu
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Die Entwicklung der Räuchergefäße Seit wann in China Duftstoffe eingesetzt und wann sich bedingt durch welche Einflüsse die ersten Räuchergefäße entwickelten ist noch nicht vollständig geklärt. Chen Qingguang[10] listet 5 Kategorien von Räuchergefäßen auf, die sich in der Form und somit seiner Ansicht nach auch in der Art des zu verbrennenden Räucherwerks unterscheiden. Demzufolge könnte in breiten, flachen Brennern anderes Material verbrannt worden sein als in schmalen hohen. Somit läge auch die Vermutung nahe, daß die Kohlebecken der Chunqiu/ Zhanguo Zeit neben ihrer Funktion als Wärmequelle oder „Barbecue-Ofen“ auch zu Räucherzwecken benutzt wurden. Chens Unterteilung ist jedoch nicht historisch zu verstehen, da Gegenstände verschiedener Kategorien parallel auftraten. Erickson hingegen fasst die Forschungen zusammen und betont den deutlichen Zusammenhang der Räucherwerkbrenner mit Gefäßen vom Typ dou:
Interessanterweise scheinen Räuchergefäße im Süden verbreiteter gewesen zu sein als im Norden bzw. dem Landesinneren. So tauchen die ersten Räuchergefäße -also dou-Gefäße mit durchbrochenem Deckel- zunächst in den Südprovinzen auf, wie ein Vergleich der Gräberkomplexe in Luoyang und Guangzhou in Fig. 1 zeigt. Auch kommen Räuchergefäße hier über die ganze Han-Zeit hinweg häufiger vor. Als Ursache dafür sind wahrscheinlich das natürliche Vorkommen duftstoffhaltiger Pflanzen im feuchtwarmen Süden und die Anbindung der Küstenstädte an die Seehandelsrouten anzunehmen.[12] Charakteristisch für die frühen Stücke scheint der geometrische Dekor zu sein. Er taucht in der Keramik sowohl bei den Durchbrüchen für die Löcher als auch im reinen Ritzdekor oder bei Bemalungen auf und ist auch bei den frühen Bronzegefäßen zu finden.[13] Es dominiert das Dreieck bzw. die Keilform. Zumeist ist der Deckel mit einem Knauf versehen, der oft wie ein sitzender Vogel gestaltet wurde.
Die boshanlu bilden eine Untergruppe der Räuchergefäße. Der Unterschied zu anderen Räuchergefäßen liegt in der Bergform des Deckels, oft narrativ mit Bergkuppen, Tieren und menschenähnlichen Wesen ausgestaltet. Sie tauchen erstmals Mitte der West-Han in Gräbern aus dem Umfeld der kaiserlichen Familie Han Wudis (reg. 140-86 v.u.Z.) in Zentral-China auf. Dabei sind die frühesten Stücke auch am aufwendigsten dekoriert. Der früheste bekannte boshanlu stammt aus der Grabrampe Nr. 1 des Maoling, Shaanxi, der Grabanlage des Kaisers Han Wudi.[14] (Abb. 2) Er ist 58 cm hoch, steht auf rundem Fuß, hat einen sehr langen bambusimitierenden Schaft, aus dessen Ende drei Drachen herausragen, die die Gefäßschale auf ihren Köpfen tragen. Diese Form ist bisher einzigartig. Die knotige Unterteilung des Schaftes erinnert an Gegenstände wie den ebenfalls mit Gold- und Silbereinlagen verzierten Dingxian Tubus[15] oder den mit Lackfarben bemalten Bronzetubus aus Luobowan[16]; andere auf drei Drachenköpfen ruhende Gegenstände sind mir nicht bekannt. Deckel und Gefäß tragen Inschriften nach denen die Stücke in das vierte Jahr der Ära jianyuan (137 v.u.Z.) datiert werden können.[17] Weitere frühe, sehr aufwendig gestaltete Räuchergefäße vom Typ boshanlu wurden in den Gräbern von Mancheng, Hebei, gefunden. (Abb. 1 und 3) Hierbei handelt es sich um das Grab des 113 v.u.Z. verstorbenen Königs Jing von Zhongshan, Liu Sheng, und das seiner Ehefrau, der zwischen 113 und 104 v.u.Z. verstorbenen Prinzessin Dou Wan.[18] Der Brenner Liu Shengs steht auf rundem, durchbrochenen Fuß, während der aus Dou Wans Grab von einer männlichen Figur, die auf einem drachenähnlichen Tier in der Mitte einer flachen Schale sitzt, mit der Hand gestützt wird. In beiden Gräbern fanden sich auch noch andere, schlichtere Räucherwerkbrenner ohne Deckel in Bergform. Die boshanlu tauchen danach –also etwa seit dem Beginn des 1. Jahrhunderts v.u.Z.– sowohl in Nord- als auch in Süd-China auf. Im Süden scheint sich die Bergform jedoch mehr zu einer von den chinesischen Archäologen als „Knospenform“ (hualei xing 花蕾形) bezeichneten zu entwickeln. Sie ist im Guangzhou-Komplex erstmals in der Keramik der „Mittleren Periode“ der West-Han zu finden und danach bis zum Ende der Ost-Han durchweg anzutreffen.[19] (Abb. 4) Boshanlu in Bronze können sehr unterschiedlich gestaltet sein. Eine Systematisierung, die lokale Besonderheiten berücksichtigt und durch Gruppierungen mögliche Zusammenhänge aufdecken kann, steht noch aus.[20] Ich möchte hier jedoch noch einige Beispiele auflisten, um eine Vorstellung vom Variantenreichtum der Formen von Räucherwerkbrennern zu geben. - Plastische Schlangendrachen in einer Fußschale stützen den boshanlu, das Gefäß ist nicht verziert, der Deckel wurde separat gefunden und weist eine Kettchen-Öse auf, er ist mit kleinen Berggipfeln verziert. Es scheint jedoch nicht klar zu sein, ob Deckel und Gefäß tatsächlich zusammengehören. Datiert auf vor 51 v.u.Z., Grabinhaber Liu Qian starb 51 v.u.Z. Ausgegraben 1978, Xingtai shi, Südlicher Vorort, Hebei; publ. Kaogu 1980.5, Tf. 6.3. (Abb. 5) - Menschenähnliches Wesen, das auf einem Berg in der Mitte der Fußschale sitzt, trägt den boshanlu auf dem Kopf; die Brennschale ist mit Fischen(?) verziert, der Deckel ist durch ein Kettchen mit dem Gefäß verbunden, ein Vogel bildet den Knauf. Datiert auf Ende West-Han bis Anfang Wang Mang. Ausgegraben 1974, Dongyang, Xiyuxian, Jiangsu; publ. Kaogu 1979.5, S. 422. Vgl. Ôsaka shiritsu bijutsukan: Kandai no bijutsu, Tf. 45; Kaogu 1972.5; Guangzhou (1981) M5036 #26, Abb. 273, S. 439. (Abb. 6) - Aus dem Hals eines auf einer Schildkröte in der Mitte der Fußschale stehenden Vogels wächst der boshanlu heraus. Datiert auf „Han“; befindet sich im Museum des Kreises Suide, Shaanxi. Publ. Zhongguo Shaanxisheng chutu wenwu (Museum der Provinz Shaanxi und Ôsaka Museum), Nr. 26. (Abb. 7##check!) - Boshanlu mit Blütenblättern am Schaft. Datiert 2. Jh. Heute Ashmolean Museum, Oxford. Vgl. Luoyang Westliche Vororte, M3177:7, Tf. XII.20. (Abb. 8) Schon seit dem Ende der West-, besonders aber in der Ost-Han kommen berg- oder blütenförmige Deckel auf den verschiedensten Gefäßtypen[21] sowohl in Bronze als auch in Keramik vor. Hu, mehrere Stücke, alle Keramik, unglasiert. Grabinhaber Wang Zhu, Grab datiert auf Mitte bis Ende West-Han. Ausgegraben 1983, Shuoxian, Shanxi. Publ. Shuoxian (1988). (Abb. 9) In diesem Grab wurden auch zwei boshanlu gefunden, leider liegt bisher kein Grabplan vor (zhiben5M1:29). Guo, ding, wei. Mehrere Stücke, alle Keramik, teilweise braun glasiert. Datiert Ende West-Han bis Anfang Ost-Han, ausgegraben 1989, Gräberkomplex in Xindian xiang, Nanyang xian, Henan. Publ. Zhongyuan wenwu, 1996.2, S. 11 - 12; Tôkyô National Museum: Huanghe wenming zhan, Fig. 82. (Abb. 10) Wenjiuzun, Bronze, datiert 2. Hälfte Ost-Han, ausgegraben 1960, Shaheding, Guangzhou. Publ. Archaelogical Finds from Han-Tombs at Guangzhou and Hong Kong, S. 160 und Tf. 25. (Abb. 11) Verschiedene wenjiuzun in Keramik, „Han“, alle publ. in Laufer (1909), S. 198-211 (Abschnitt „Hill-jars“). Eine interessante Mischform aus Lampe und Räucherwerkbrenner wurde im Felsklippengrab Nr. 3 in Sichuan gefunden. Hier sitzt eine ausgemergelte Person auf einem als chanchu (Erd- oder Mondkröte) bezeichnetem Reittier, einen Mörser in der Hand. Auf dem Tier sowie auf seinen Schultern befinden sich die insgesamt 4 Lampenschalen, aus seinem Kopf wächst ein Räuchergefäß hervor. Der Ausgrabungsbericht bezeichnet die Deckelform als Blütenknospe. Keramik, datiert auf Mitte-Ende Ost-Han. Publ. Wenwu cankao ziliao 1985.9, S. 132, M3:26. (Abb. 12) Fassen wir bis hierher zusammen. Räuchergefäße tauchen Anfang der West-Han in Süd-, die boshanlu ab Mitte der Han zuerst in Gräbern aus dem Kreis der kaiserlichen Familie in Zentralchina auf. Einzelne, besonders frühe boshanlu sind außergewöhnlich reich verziert. Noch in der westlichen Han tauchen in Gräbern der Ober- und Mittelschicht boshanlu in verschiedenen, schlichteren Ausfertigungen auf. Die Bergform taucht bald auch bei anderen Gefäßtypen und Gegenständen auf. Im Süden hat sich eine eher an Knospen erinnernde Form herausgebildet. Die Räuchergefäße müssen keine Fußschale besitzen, der Schaft kann eine Verdickung wie Bambusknoten aufweisen. In Bronze kann der Schaft auch figürlich gestaltet sein - Drache, Schildkröte, Vogel und Menschenwesen tauchen auf.[22] Scheinbar waren bergförmige Deckel vom 1. Jahrhundert v.u.Z. bis zum Ende der Ost-Han eine „Modeform“. Offenbar stellen die boshanlu einen Aspekt einer neuen Entwicklung dar: die gestiegene Bedeutung des Berges bzw. der Bergform in der Kunst. Nicht nur Gefäßdeckel oder Gegenstände werden in Bergform gestaltet, auch ganze Grabanlagen werden mit einem Berghügel versehen, in dem sich Tierskulpturen befinden[23]. Auch die teilweise künstlichen Berge im kaiserlichen Jagdpark Kaiser Han Wudis zeigen dies.[24] Es ist also tatsächlich zu vermuten, dass sich gewisse Veränderungen in der Geisteshaltung bzw. Weltanschauung vollzogen haben. Wie schon dargelegt soll hier jedoch nicht näher auf die möglichen Hintergründe eingegangen werden. Wenden wir uns daher wieder den boshanlu und unser ersten konkreteren Fragestellung an diese Gegenstände zu: Haben die Räuchergefäße einen bestimmten Platz innerhalb des Grabes? |
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[10] Lidai xiangju (1994), S. 32ff. back [11] Erickson (1992), S. 6 und Fig. 1. back [12] Dem Autor sind bisher keine Abhandlungen zu Räucherwerk im China der Han-Zeit oder früher bekannt. Einzelne Räucherwerkbrenner enthielten noch Reste der Gräser und Hölzer; der möglicherweise früheste Fund von Weihrauch (Harz) stammt wohl aus dem Grab des Königs von Nan Yue (122 v.u.Z.). Frühe Texte erwähnen zunächst nur die Verwendung von Duftstoffen zu Desinfektions- und Insektenvernichtungszwecken, später auch zur „Parfümierung“ von Kleidung. Weiterführend dazu Prüch (1998), Kat.-Nr. 20 und Lidai Xiangju (1994), S. 33ff. Siehe auch meine Übersetzungen verschiedener Texte im Anhang. back [13] Guangzhou (1981), Keramik S. 126f., Tf. 23, Bronze S. 139, Tf. 30. Vgl. in Keramik: Mawangdui (1973), Bd. 1, S. 125 sowie Prüch (1998), Kat.Nr. 75 und in Bronze: Prüch (1998), Kat.Nr. 4. back [14] Maoling (1982), K1:003. Grabinhaber war höchstwahrscheinlich Prinzessin Yangxin (ca. 160- ca. 110 v.u.Z.), die ältere Schwester Kaiser Han Wudis; vgl. Pirazzoli t’Serstevens (1992), Anm. 2. [15] Huihua (1986), S. 93, Tf. 69. back [16] Luobowan (1978). back [17] Zur Übersetzung siehe Abschnitt „Inschriften“ weiter unten. back [18] Liu Sheng war ein Sohn von Kaiser Jingdi (reg. 157-141 v.u.Z.), dem älteren Bruder von Kaiser Wudi. Siehe Mancheng (1980). Ein zusammenfassender Artikel in deutscher Sprache findet sich in Eggebrecht (1994), S. 85-95; weitere Funde aus den zwei Mancheng-Gräbern siehe dort Kat.-Nr. 71-117; Liu Shengs boshanlu dort Kat.Nr. 111. Vgl. Erickson (1996/7). back [19] Im Ausgrabungsbericht geführt als „Räucherwerkbrenner, Typ II“, mit Fußschale versehen; Guangzhou (1981), S. 221. Der Begriff „boshanlu“ taucht im Ausgrabungsbericht nicht auf. Einige der mit „Knospenform“ beschriebenen Gefäßdeckel wären in anderen Publikationen aber durchaus als boshanlu bezeichnet worden. Die unterschiedlichen Bezeichnungen sind leider bisher noch nicht systematisiert, daher muss für jedes Fundstück bzw. jeden Ausgrabungsbericht die gewählte Bezeichnung überprüft werden, was eine vergleichende Übersicht sehr schwierig macht. Siehe unten, Übersicht „Hanzeitliche Räuchergefäße aus dem Grabkomplex von Guangzhou“. back [20] Für den bronzenen boshanlu, Inv.Nr. 47.15 der Freer Gallery, Washington, findet sich eine genauere Analyse des Dekors unter Einbeziehung einiger Vergleichsstücke in Erickson (1996/97). back [21] Die Bergform ist dabei nicht auf Gefäße beschränkt, sie taucht beispielsweise bei Stabaufsätzen aus dem Grab von Liu Sheng (I:4092) auf, wobei hier in angedeuteten Bergen zwei drachenähnliche Tiere miteinander kämpfen; vgl. Eggebrecht (1994), Kat.-Nr. 101. Auch bei Spannknöpfen für Zithern können Bergeformen auftauchen, so beispielsweise im Grab von Zhao Mo in Nanyue, in deren Gebirgen sich Tiger, Drache, Bär und Affe tummeln; siehe Prüch (1998), Kat.-Nr. 3. back [22] Die möglichen Hintergründe dafür sind Schwerpunkt der Untersuchungen in Erickson (1992). Mit Gräbern der Mittelklasse im Raum Luoyang beschäftigt sich die Dissertation von Lukas Nickel (noch nicht abgeschlossen). back [23] So beim Grab von Huo Qubing (ca. 140 - 117 v.u.Z.); Ma (1964), Wang (1955), Fu (1964). back [24] Vgl. Ledderose (1982), Ledderose (1983), Munakata (1991). back |
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