Portalkunstgeschichte.de, 17. November 2003
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Schätze der Himmelssöhne. Die kaiserliche Sammlung aus dem Nationalen Palastmuseum, Taipeh. Katalog zur Ausstellung "Schätze der Himmelssöhne". Die kaiserliche Sammlung aus dem Nationalen Palastmuseum, Taipeh. Hrsg. von der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Bonn. Ostfildern-Ruit, Verlag Hatje-Cantz, 2003. 472 Seiten, 501 Abbildungen, davon 479 farbig. Leinen mit Schutzumschlag € 58,-. ISBN 3-7757-1318-2. Pu Yi, der letzte Kaiser, aus dessen berühmt gewordenen Confessiones Bernardo Bertolucci einen erfolgreichen Film gemacht hat, war Schuld. Er, der im Alter von drei Jahren zum Kaiser ernannt und 1911 mit acht Jahren von den Republikanern Ausstellung bis zum 12. Oktober im Alten Museum Berlin, vom 21. November bis zum 15. Februar in Bonn. Pu Yi, der letzte Kaiser, aus dessen berühmt gewordenen Confessiones Bernardo Bertolucci einen erfolgreichen Film gemacht hat, war Schuld. Er, der im Alter von drei Jahren zum Kaiser ernannt und 1911 mit acht Jahren von den Republikanern zum Abdanken gezwungen wurde, er, der noch bis 1924 das Dasein des Himmelssohnes in der Verbotenen Stadt spielen durfte, musste sein aufwendiges Leben finanzieren. Dazu verkaufte er das Tafelsilber seiner Ahnen: die kaiserliche Sammlung, deren Geschichte weit in der chinesischen Kultur verankert ist und deren Vorläufer bereits vor dem 4. Jahrhundert angelegt wurde. Immer neue Wege fand Pu Yi, die strengen Ausfuhrgesetze zu umgehen, mit List und Tücke ließ er den Japanern und Engländern wertvolle Werke für Devisen zukommen. Der Fundus, aus dem sich der Adelige bediente, schien dabei geradezu unerschöpflich. Schon in der T'ang-Dynastie (7. und 8. Jahrhundert) war die Sammlung umfangreich gewesen, wie ein Inventar berichtet, das entstand war, als eine Reihe der bis dahin überkommenen Gemälde neu aufgezogen werden mußten. In der Sung-Dynastie (960-1279) wurde ein erster fachmännischer Gemälde- und Altertümerkatalog der kaiserlichen Sammlung angelegt, die auch in der Ming-Zeit stetig erweitert wurde. Doch all dies sollte Vorspiel bleiben, denn erst mit der Ch'ing-Periode, die 1644 begann und mit Pu Yi enden sollte, kulminierte die Sammeltätigkeit der Kaiser. Kunst bedeutete für die Herrscher im Reich der Mitte nicht allein die Veredlung des Lebens und den Inbegriff der Kultur. Sie war auch Symbol der höchsten Tugenden, mit dem die Dynastie zeigen konnte, dass sie des Himmelsmandats würdig sei. Der dramatische Ausverkauf der Sammlungen unter Pu Yi war somit unleugbarer Beweis für das Ende der Ch'ing-Dynastie, wie für die Kaiserzeit überhaupt. Allein über 1000 klassische Kalligraphien und Gemälde verschwanden, auch die Porzellane, Keramiken, Jaden, Bronzen waren nicht mehr sicher. Erst nach Pu Yis Vertreibung wurde ein Museum gegründet, in welchem die "Schätze der Himmelssöhne", das umfangreiche Restkonvolut aus der kaiserlichen Sammlung in Peking, aufbewahrt werden sollte. Doch aufgrund der politisch instabilen Lage und des beginnenden Bürgerkrieges verzögerte sich die Einrichtungen immer weiter, 1933 schließlich, durch akute Bombenbedrohung, mussten sämtliche Schätze in Kisten verpackt werden. Es begann eine jahrzehntelange Odyssee durch das ganze Land. Erst 1965, nunmehr war der neue Standort festgelegt, tauchten die Kunstwerke wieder aus ihren Bergstollenfestungen auf und wurden endlich in das Palastmuseum in Taipeh auf der Insel Taiwan verbracht. Von der bronzezeitlichen Archaik bis zum frühen 20. Jahrhundert reicht der Umfang der Sammlung: reich ornamentierte Ritualgefäße aus Bronze, Kleidungsteile wie Gürtelschnallen oder drachenförmige Ahlen, die zum Öffnen der Gewandknoten dienten, finden sich hier genauso wie eine Reihe von Handschriften oder Porzellanen, die den unterschiedlichen religiösen Kontext (vom frühen Ahnenkult zum Buddhismus) wie die künstlerische Entwicklung gleichermaßen spiegeln. Allein anhand der vorhandenen Hängerollen, auf denen neben Naturdarstellungen auch fiktive und reale Bauwerke zu sehen sind, ließe sich die Geschichte der chinesischen Malerei lückenlos dokumentieren. Ähnliches gilt für die Porzellane, bei denen auch solche Beispiele nicht fehlen, die eigentlich für den westlichen Markt produziert worden waren. Aus dem Bestand dieses Museums ist nun, nach zehnjähriger Vorbereitungszeit, eine Auswahl auf die Reise nach Deutschland geschickt worden. Eigentlich handelt es sich dabei um zwei Ausstellungen, eine für Berlin und eine für Bonn, die aus unterschiedlichen Konvoluten bestehen, welche, wie die Vorworte des Katalogs versichern, jeweils in sich schlüssig sein sollen. An beiden Orten können die Kunstwerke nicht gezeigt werden, da nach dreimonatiger Präsentation, so wollen es die Auflagen, eine anderthalbjährige Ruhefrist einzuhalten ist. Der vorliegende Katalog jedoch deckt beide Ausstellungsteile ab und bietet einen umfassenden Überblick über die wichtigste Sammlung chinesischer Kunst überhaupt. Material und Anlaß hätten daher Ansporn für eine umfangreiche Einführung in die Kunst und Kultur der Chinesen sein können, doch der Katalog wird dem nur in Teilen gerecht. Zwar finden sich mehrere Kapitel im Band, etwa Aufsätze zu Malerei, Bronzekunst, Kalligraphie und Porzellan (Ursula Lienert, Roger Goepper, Ursula Toyka-Fuong, Adele Schlombs und Regina Krahl), die allgemeinverständlich in die Themenfelder einführen, Techniken und Stile beschreiben und dabei auf die Exponate verweisen. Heranführend sind auch die Beiträge über die Geschichte des Palastmuseums (Shih Shou-Chien) und die Sammlungstätigkeit der Ch'ing-Kaiser (Gerald Holzwarth), die neben dem kunsthistorischen auch den museumsgeschichtlichen Aspekt beleuchten. Doch bei allem Erfreulichen ist eben auch manch Gegenteiliges anzutreffen. So scheint Wolfgang Kubin bei seinem Versuch, die immerhin über viertausendjährige Geschichte der chinesischen Kaiserreiche auf wenigen Seiten kompakt darzustellen, überfordert gewesen zu sein, da er nicht allein die wichtigen Entwicklungslinien auszubreiten sucht, sondern auch noch mit den Klischees und den Problemen der Forschung aufräumen möchte. Allein reichen die sprachlichen Möglichkeiten des Autors nicht aus, sich verständlich zu machen; der einzige Aufsatz, der etwas Grundlegendes zum politischen Hintergrund der ausgebreiteten Kulturschätze zu sagen gehabt hätte, kann daher als wertlos angesehen werden; die Hintergrundinformationen, vor denen die Werke erst verständlich werden, muß der Leser daher an anderer Stelle zusammensuchen. Auch der Einblick in die materiellen Besonderheiten des Minerals Jade (Klaus Müller) hätte substanzieller sein dürfen. Statt harte Fakten mit einer chemischen Formel zu belegen, schien man den kulturinteressierten Leser nicht naturwissenschaftlich überfordern zu wollen. Die eigentliche Problemzone des Bandes jedoch ist der Katalogteil, in welchem die insgesamt 364 Exponate erläutert werden. Schön ausgeleuchtete, drucktechnisch hervorragend reproduzierte Abbildungen sind da zu sehen, bisweilen hätte man sich auch noch eine zweite Ansicht oder eine Detailvergrößerung gewünscht. Was allerdings die Beschreibungen betrifft, so wäre ein grundlegendes Lektorat notwendig gewesen. Oft sind die kurzen Texte holprige Versuche, die Aura eines Kunstwerkes einzufangen, Sätze wie "Steile Berggipfel ragen mächtig auf" sind da über die gemalte Landschaftsdarstellung auf einer Hängerolle zu lesen, von einer "gekonnt schlichten Komposition", was immer dies im Einzelfall sein mag, ist da die Rede. Schließlich wird gar "die chinesische Kunstgeschichte" bemüht, die das Werk des Malers Kuan T'ung (tätig kurz nach 900) mit den Worten charakterisiere: "Je schlichter die Pinselführung, umso erhabener ihr Ausdruck, je spärlicher die Landschaft, um so tiefer ihr Sinn." Im Abendland hat sich da der Sinnspruch des Aachener Architekten Mies van der Rohe (tätig um die Mitte des 20. Jahrhunderts) bewährt, der da sprach "Weniger ist mehr". Das Wenigere genauer, konziser, gerafft und gegliedert, wie bei einigen Texte durchaus mustergültig vorexerziert, hätte aus dem Katalog ein Kompendium gemacht, der dem Glanz der Kunstwerke ein Glanzlicht der Wissenschaft an die Seite gestellt hätte. Autor: Christian Welzbacher vgl.: http://www.portalkunstgeschichte.de/buch_medien/buchrezensionen/2.php |
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