Kunstgeschichte Ostasien
Mitteilungsblatt Nr. 27 (Sept. 1996)
 
     
 
Neue Magisterarbeiten
 
 

Mit dieser Rubrik soll Magistranden eine Plattform gegeben werden, auf der kurze Zusammenfassungen gerade abgeschlossener Arbeiten einem größeren Publikum angeboten und zur Diskussion gestellt werden. Hinweise und Fragen leitet die Redaktion gerne an die Autorinnen weiter.

 
     
 

Nicole Hausammann
Magister HF (SS 1996)

Eine Votivstele der Nördlichen Wei-Zeit (386-534 n.Chr.) im Rietberg-Museum Zürich

Die Blütezeit der buddhistischen Stelen, die seit Anfang des 5. Jahrhunderts hauptsächlich in Nord-China hergestellt wurden, fällt in die Zeit der nördlichen und südlichen Dynastien (386-581 n.Chr.). Eine Untersuchung der Stelentypen ab der Östlichen Hanzeit ergab, daß die buddhistische Stele zwar größtenteils auf hanzeitliche Stelentypen zurückgeht, aber durch den Einfluß des Buddhismus eine neue Entwicklung erfuhr. Statt der Inschrift dominierte nun die bildliche Darstellung und es entstanden zum ersten Mal in China Steinfiguren in Hochrelief.
Am Beispiel der Stele im Museum Rietberg (dat. 520, Inv.Nr. Rch 110) wird aufgezeigt, wie stark eine Verschmelzung buddhistischer und chinesischer Traditionen auch in Ikonographie und Stil stattgefunden hat.
Bei der ikonographischen Untersuchung ergab sich, daß rein buddhistische Motive, wie Buddhas, Bodhisattvas, rein chinesische Motive, beispielsweise Stifterfiguren, Pavillons oder Weihrauchgefäße, sowie Motive, die sowohl chinesischen, als auch buddhistischen Ursprungs sein können, wie zum Beispiel Drache und Phönix, nebeneinander auftauchen.
In stilistischer Hinsicht geht die schemenhafte Darstellung der Stifterfiguren, Wächter und Dämonen in strenger Frontal- und Seitenansicht, sowie die parallele Riefelung der Gewänder- und Tierkörper auf hanzeitliche Relief-Darstellungen in chinesischen Gräbern zurück.
Die plastische Ausarbeitung der Körperrundungen und der Faltenwurf bei Buddhas und Bodhisattvas dagegen sind dem Einfluß der indischen Skulptur zuzuordnen.
Aufgrund einiger motivischer und stilistischer Besonderheiten konnte die Rietbergstele dem lokalen Stil, der im Südosten Shaanxis und Süd-Shanxi vorherrschend war, zugeordnet werden. Die Untersuchung der buddhistischen Stelen nach ihrer geographischen Herkunft ergab, daß sie im wesentlichen aus Herstellungszentren in den Provinzen Shaanxi, Shanxi und Henan stammen.

Kontakt: Ladenburger Str. 36, 69120 Heidelberg
E-mail: nhausamm@ix.urz.uni-heidelberg.de



Petra Rösch
Magister HF (SS 1996)

Eine buddhistische Kulthöhle des 6. Jahrhunderts in China - Die Dazhushengku des Baoshansi in Henan

Die Dazhushengku (589), eine von zwei Kulthöhlen des Baoshansi, mit ihren zahlreichen Bildwerken und Sutreninschriften zeigt die einstige Bedeutung des Tempelkomplexes am Baoshan, der einige Kilometer außerhalb des heutigen Anyang gelegen ist.
Die Arbeit konzentriert sich im Wesentlichen auf die Skulpturen der Höhle, die stilistisch und ikonographisch gedeutet werden. Ausführlich behandelt werden die Wächterfiguren vor der Höhle, die in ihrer Darstellung außergewöhnlich sind. Die zentrale Figur der Dazhushengku ist der Buddha Vairocana, dessen figürliche Gewanddekoration als eine Variante der in Henan verbreiteten "kosmologischen" Ikonographie dieses Buddhas identifiziert werden konnte. Eine weitere Besonderheit der Dazhushengku ist das Patriarchenrelief, welches zum ersten Mal die indischen buddhistischen Lehrmeister in einer bisher einzigartigen bildlichen Umsetzung zeigt.
Bei der Untersuchung des Bild- und Sutrenprogrammes im Zusammenhang stellte sich ferner heraus, daß die Dazhushengku unter dem Eindruck des mofa-Gedankens von dem Mönch Lingyu geplant wurde. Dieser Gedanke wurde ab dem 6. Jahrhundert besonders von der Drei-Stufen-Lehre (sanjiejiao) vertreten, aufgrund derer man sich dem Weltuntergang und damit auch dem Untergang der buddhistischen Lehre nahe glaubte.
Da in der Dazhushengku die wichtigsten Texte dieser Lehre enthalten sind, ließ sich die Höhle als ein wichtiges Monument dieser Glaubensvorstellung deuten. Die Versammlung mächtiger Schutzgottheiten und einer Vielzahl von Buddhas machen die Dazhushengku am Baoshan zu einem Ort, an dem die Lehre Buddhas über die Endzeit hinweg bewahrt werden würde.

Kontakt: Merowingerstr. 55, 50677 Köln
E-mail: wottheheck@aol.com

 
     
 
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