Bonner Illu, November 2003 |
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Himmlische Schätze Ein prachtvoll gekleideter Herrscher, der Kaiser Wen-ti, sitzt umringt von seinen Damen mitten in einem idyllischen Park auf einer Art Thron. Zu seiner Linken hockt Fräulein Shen, eine bildhübsche junge Konkubine, die an dieser Seite des Kaisers eigentlich gar nichts zu suchen hat. Der Edelmann Yüan Ang ist mutig genug, seinen erhabenen Herren auf den gesellschaftlichen Faux Pas aufmerksam zu machen, denn ein solcher Verstoß gegen die guten Sitten würde nicht nur die natürliche Ordnung von Respekt und Demut und die familiäre Hierarchie außer Kraft setzen, sondern auch Unheil über Fräulein Shen bringen. Der ansonsten unfehlbare Kaiser nimmt den Rat seines Untergebenen an und die Konkubine belohnt ihn mit Gold, weil er verhindert hat, dass ihre Stellung am Hof gefährdet wird. Diese wahre Begebenheit aus der Sung-Dynastie (960-1279) ist von einem unbekannten Künstler eindrucksvoll ins Bild gesetzt worden. Mit Tusche und Farben auf Seide gemalt, liegt das Hauptaugenmerk des Künstlers auf der Darstellung des Verhältnisses eines unvoreingenommenen Herrschers zu einem respektvollen Untertan. Darin drückt er die ideale konfuzianische Ordnung am Kaiserhof aus. Besonders bestechend: Die klare und flüssige Pinselführung in der Darstellung der Personen sowie die exquisite Gestaltung der Bäume und Felsen im Hintergrund. Das Meisterwerk "Der verweigerte Ehrenplatz" ist nur eines von insgesamt 400 Exponaten, die die Pracht und Herrlichkeit der Kunst, die von der Sung- bis zur Chi'ng Dynastie, also von der Mitte des 10. bis zum frühen 20. Jahrhunderts an den chinesischen Kaiserhöfen gesammelt wurde, verdeutlichen. Die Sammlung des Nationalen Palastmuseums Taipeh umfasst insgesamt mehr als 700.000 Objekte. Sie gilt als Essenz der chinesischen Kunstgeschichte und ist ein lebendiges Vermächtnis einer der mächtigsten Kulturen der Welt. In Bonn gezeigt wird eine repräsentative Auswahl, die die historische Spannbreite sowie die verschiedenen Kunstgattungen, die mannigfaltigen Themen und nicht zuletzt die bedeutende Rolle der Machthaber als Sammler und Mäzene reflektieren will. Neben berühmten Gemälden und Kalligraphien alter Meister sind seltene Siegel, kostbare Porzellane, archaische Ritualbronzen und Jadeschnitzereien zu sehen. Außerdem: frühe Buchdrucke, Tapisserien, Lackarbeiten, Email, Holzschnitzereien und kunstvolle Sammelkabinette im Miniaturformat. Einen großen Raum der Ausstellung nehmen die außergewöhnlichen Jadearbeiten ein. Bereits in der Jungsteinzeit wurde Jade als etwas verehrt, was Götter und Menschen zusammenbrachte. Es gibt nur wenige Materialien auf der Welt, die so unberührt von den Stürmen der Zeit überdauern können. Darum schreibt man ihnen vielerorts eine nahezu magische Bedeutung zu. Edle Jade ist nicht nur unvergänglich, sie kann auch ihre Farbe und Transparenz durch Aufnahme der sie umgebenden Materialien verändern. So ist die oft beschriebene Eigenschaft des "Absorbierens der Umwelt" zu verstehen. Die Verehrung und Vorliebe für Jade ist eine der ältesten und beständigsten Eigenheiten der chinesischen Kultur, denn seit ältester Zeit wurde warmtaktile Jade als ein Medium in die übernatürliche Welt begriffen. Außerdem schützt sie die spirituelle Kraft des Menschen und bewahrt ihn vor Bösem. Zu sehen sind archaische Ritualobjekte, Schmuckanhänger, Trinkbecher und Fabeltierskulpturen. Neben Jade ist auch die chinesische Königsdisziplin, das berühmte Porzellan, vertreten. So ist das Steinzeug, das im 15./ 16. Jahrhundert in deutschen Töpfereien produziert wurde, bei den Chinesen schon 3.000 Jahre früher bekannt gewesen. Was in Europa als revolutionäre Entwicklung gefeiert wurde, war den Chinesen der fernöstlichen Bronzezeit (1600-200 v.Chr.) nur ein Schulterzucken wert. Die Porzellanherstellung wurde sukzessive perfektioniert. 1.000 Jahre bevor Meißen 1710 das chinesische Porzellan-Monopol zu brechen vermochte, gelang im 6. Jahrhundert die Fabrikation der weißen Ware, die mit ihrer Reinheit, Transparenz und Härte bald zum begehrten Handelsgut wurde. In der T'ang-Zeit gewann diese feine Keramik so sehr an Wert, dass die besten Stücke einen Luxus verkörperten, der nur mit Edelsteinen und Edelmetallen vergleichbar war. Zu den wertvollsten Stücken der Ausstellung gehören eine eher unscheinbare blassblaue Vase und eine Schale aus dem 11. Jahrhundert, die als Inbegriff der Schlichtheit und des gleichzeitigen Raffinements bewundert wurden. Die Ausstellung "Schätze der Himmelssöhne" wird ergänzt durch ein umfangreiches Beiprogramm. Im Rahmen einer "Langen Taiwan-Nacht" am 22.11. darf sich das Publikum bei Drachentänzen, Artistik und einer chinesischen Teezeremonie amüsieren. Bundeskunsthalle vgl. http://www.bonner-illu.de/bonnnews/1103/bonnerthemen/5_1.html |
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