Spiegel online, 16. Juli 2003
 
     
 

TAIWANISCHE KUNSTSCHÄTZE
Die heikle Schau der Himmelssöhne
Von Andreas Lorenz, Peking

Taiwan präsentiert in Berlin und Bonn die "Schätze der Himmelssöhne". Die Kunst-Ausstellung ist nicht nur kulturell spannend: Politisch wandeln Taiwaner und Deutsche auf einem schmalen Grat. Taiwans First Lady kommt zur Eröffnung nach Berlin - und Peking murrt.

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Unschätzbarer Wert: Schnitzlackdose aus der Ming-Dynastie, 15. Jahrhundert

Bronzene Ritualgefäße und zarte Riechfläschchen, edle Schatzkisten und kunstvolle Jadeschnitzereien, Kalligraphien, und Porzellanschüsseln, buddhistische Handschriften und Bilder der berühmtesten Maler - Liebhaber alter chinesischer Kunst müssen in der Regel weit fahren, um solch seltene Stücke zu besichtigen: in die Verbotene Stadt Pekings oder in das Nationale Palastmuseum von Taipeh.

Schon bald allerdings werden die Deutschen die kostbaren Meisterwerke aus dem Reich der Mitte bewundern können, ohne sich ins Flugzeug setzen zu müssen: Ab 18. Juli stellen die Taiwaner im Alten Museum von Berlin über 400 Stücke ihrer Sammlung aus zahlreichen Dynastien aus. Titel der Schau, die bis zum 12. Oktober zu sehen sein wird: "Die Schätze der Himmelssöhne." Ab 21. November werden sie in der Bonner Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland (Bundeskunsthalle) zu bewundern sein.

Nach Schauen in den USA (1996) und Frankreich (1998) schicken die Taiwaner zum dritten Mal Exponate ins Ausland. Sie sind mit über 200 Millionen Euro versichert, ihr ideeller Wert allerdings ist unschätzbar.

Die Ausstellung gehört zu den Versuchen des kleinen, international isolierten Taiwans, nicht nur politisch und wirtschaftlich aus dem Schatten des großen kommunistischen Bruders herauszutreten, sondern auch im Kulturbereich: "Wir wollen verstärkt Kunst- und Kulturreisende aus aller Welt erobern", sagt der Pressesprecher der Vertretung Taipehs in Hamburg, Hsu Bo-sung.

Die Aktion ist allerdings politisch heikel. Denn nach Lesart Pekings gehört die Insel zur Volksrepublik. Damit wären auch die Kunstschätze Eigentum des Festlandes. Die wertvollsten Stücke aus dem Pekinger Kaiserpalast waren von den Nationalistischen Truppen unter Chiang Kai-chek auf ihrer Flucht vor Maos Kommunisten zwischen 1948 und 1949 in Tausenden Kisten nach Taipeh verschifft worden.

Theoretisch könnte Peking deshalb die Schätze als sein Vermögen reklamieren. Deshalb kam das Projekt erst zu Stande, nachdem Juristen in Berlin und Taipeh zu der Überzeugung gelangt waren, dass Berlins neues Gesetz zum Schutz von Kulturgütern auch für die Insel gilt.

Es brauchte insgesamt zehn Jahre, bis alle rechtlichen Klippen umschifft waren. Zusätzlich sicherte die Bundesregierung den Taiwanern jüngst die Rückgabe der Schätze in zwei Briefen "rechtsverbindlich" zu.

Peking gab sich bislang konziliant: Solange die Kontakte keinen "staatlichen" Charakter haben, sei gegen die Ausstellung nichts einzuwenden, erklärte das chinesische Außenministerium auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE. Im Klartext heißt das: Es darf zum Beispiel keine taiwanische Fahne gezeigt werden, Politiker müssen sich von offiziellen Veranstaltungen fernhalten, damit nicht der Eindruck entstehen kann, Taiwan sei ein unabhängiger Staat.

Allerdings wandeln Taiwaner und Deutsche auf einem schmalen Grat. Denn Taiwans First Lady, Wu Shu-chen, hat sich zur Eröffnung der Schau angesagt. Die Frau des von Chinas Kommunisten verhassten taiwanischen Präsidenten Chen Shui-bian trifft heute in Berlin ein. Sie bleibt bis zum 19. Juli.

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Taiwanische First Lady Wu: Provokation für die Chinesen?

Obwohl Wu kein politisches Amt bekleidet, könnte die chinesische Regierung ihren Besuch, wie Diplomaten fürchten, als Provokation und als Versuch werten, für Taiwan politisches Profil zu gewinnen. Chinas Botschaft in Berlin meldete im Auswärtigen Amt bereits "Bedenken" an.

Berlins Position: Es handele sich um einen reinen Privatbesuch. Um Peking nicht weiter zu verärgern und womöglich lukrative Wirtschaftsverträge im Reich der Mitte nicht zu gefährden, dürften deutsche Politiker allerdings einen großen Bogen um den taiwanischen Gast machen.

Wu ist seit 1985 an den Rollstuhl gefesselt. Damals wurde sie von einem Lastwagen überfahren - vermutlich im Auftrag von politischen Gegnern ihres Mannes. Sie werde in Berlin, berichtete die "Taipei Times", Ehrungen verschiedener deutscher Organisationen erhalten.

http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,257306,00.html

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