April 2, 2006:

[achtung! kunst] *Archäologie* : Noch viele Schätze im Grab des Kaisers
 
     
 

hamburger abendblatt, 22. Februar 2006
Noch viele Schätze im Grab des Kaisers
Archäologie: Erst ein kleiner Teil der Kammern wurde geöffnet. Im Umfeld
der berühmten Terrakotta- Armee in China schlummern noch zahlreiche
Funde. Deutsche Wissenschaftler helfen bei der Suche - zum Beispiel mit
dem weltweit präzisesten Cäsium-Magnetometer.
Von Anne-Kathrin Reiter

Chinesische Bauern beschlossen 1974 im Dorf Xiyang, einen Brunnen zu
graben, um ihre Felder zu bewässern. Sie arbeiteten fünf Tage, bis sie
auf eine Schicht aus gebranntem Lehm stießen: Es war der Rückenpanzer
eines bemalten Tonkriegers und die größte archäologische Sensation des
20. Jahrhunderts. Die Bauern hatten einen Krieger der Terrakotta-Armee
gefunden, der mit etwa 7300 anderen Soldaten seit über 2200 Jahren das
Grabmal des ersten chinesischen Kaisers Qin Shihuangdi (259-210 v. Chr.)
bewacht.

"Die Terrakotta-Armee ist das achte Weltwunder", schrieb Frankreichs
Präsident Jacques Chirac 1987 nach der Besichtigung ins Gästebuch.
Archäologen bezeichnen die 188 Gruben um das Kaisergrab als zweites "Tal
der Könige". Die Gruben sind über ein 56 Quadratkilometer großes Gebiet
nordöstlich der Stadt Xi'an verteilt - doch was bis heute noch
unentdeckt im rötlichen Lößboden schlummert, dürfte auch diese
Vergleiche bei weitem übertreffen: Von den Chinesen wurde erst ein
kleiner Teil der Gruben geöffnet, daher weiß niemand genau, welche
Schätze noch im Boden liegen.

Besucher können etwa 1000 restaurierte Soldaten besichtigen. "Doch das
Kaisergrab ist bis jetzt vollkommen unberührt - unglaublich, was es noch
alles im Grab des Kaisers Qin Shihuangdi zu entdecken gibt", schwärmt
Jörg Faßbinder, Geophysiker des Bayerischen Landesamtes für
Denkmalpflege. Die Terrakotta-Armee wurde 1,25 Kilometer außerhalb des
Zentralbezirks der Nekropole von Qin Shihuangdi (kurz: Qin Shi) gefunden
- allein dieser ist 970 Meter breit und 2188 Meter lang. Und der erste
Kaiser ruht nicht allein: In der Provinz Shaanxi ragen über 500
Grabberge empor, davon 29 Kaisergräber, in denen Regenten aus acht
Jahrhunderten beerdigt sind.

Archäologen aus aller Welt hat das Grabungsfieber ergriffen. "Doch die
Chinesen gehen mit denkmalpflegerischer Sorgfalt ans Werk. Sie öffnen
das Kaisergrab, in dem unermeßliche Schätze vermutet werden, erst, wenn
sie Methoden zur Konservierung entwickelt haben", so Faßbinder, der
Spezialist für Magnetometerprospektion, mit der man Mauern, Münzfunde
oder Holzpflöcke unter der Erde sichtbar machen kann, ohne graben zu
müssen. "Dieses schonende Verfahren hat die Chinesen sehr interessiert -
sie können detailliert sehen, wo etwas liegt und müssen es nicht durch
Ausgrabung gefährden", sagt Faßbinder. Er und sein Kollege Helmut Becker
führten 1999 und 2000 Probebohrungen in China durch.

"Die Chinesen wollten unser Verfahren an einem anderen Ort
ausprobieren", erzählt Faßbinder. "Ein Testobjekt zu finden, war nicht
schwer: Der erste chinesische Kaiser besaß mehr als 200 Paläste.
Zusammen mit den chinesischen Archäologen haben wir einen geeigneten
Platz bei Wazigang für einen ersten Teil der Methode ausgewählt, um erst
mal eine Residenz des Kaisers komplett zu vermessen. Wir haben mit
unserem Magnetometer einen einmalig gut erhaltenen Gartenpalast des
Kaiser Qin Shihuangdi entdeckt."

Der erste chinesische Kaiser Qin Shihuangdi schuf 221 v. Chr. das größte
Imperium des Altertums und zwang 40 Millionen Chinesen unter seine
Herrschaft. Auch nach seinem Tod mußten die Untertanen schuften: Nach
Berichten eines Hofschreibers um 90 v. Chr. wurden 700 000 Arbeiter für
den Bau des Grabmals geknechtet und einige wohl auch geopfert. Neben
seiner Grabpyramide entdeckte man 61 Begleitgräber. In einigen werden
getötete Konkubinen vermutet, andere Kammern enthielten Skelette von 17
jungen Männern. Laut Grabungsbericht aus Xi'an wurden sie durch
Zerstückelung getötet, denn Kopf, Rumpf und Glieder waren abgetrennt.
Qin Shi nahm außerdem 500 Pferde, 44 Pandabären und Raubkatzen, Fische
und Schweine mit ins Grab.

"Nach unseren Entdeckungen bei Wazigang haben die Chinesen gleich mit
Probebohrungen nachgesehen, ob unsere Vermutungen richtig sind. Unsere
Pläne stimmten genau", sagt Faßbinder. Bei der Magnetometerprospektion
durchleuchtet er mit seinem Kollegen Becker den Lößboden alle 25
Zentimeter mit den weltweit präzisesten Cäsium-Magnetometern.

Sie spüren Anreicherungen ferrimagnetischer Minerale im Untergrund auf.
Sogenannte Maghemite etwa zeugen von gebranntem Ton. Magnetische
Bodenbakterien, die Magnetit und Greigit absondern, deuten auf
Abfallgruben, Palisaden und Gräber hin. Von Maghemiten, Magnetiten und
Greigiten werden Magnetfeldstörungen hervorgerufen - trägt man diese in
einer Karte ein, erhält man einen Blick in den Boden ohne einen einzigen
Spatenstich.

So haben die Münchner Denkmalpfleger schon viele bedeutende Funde
gemacht: In der sibirischen Steppe haben sie eine skythische Stadt, in
Sri Lanka Megalithgräber geortet, im Nildelta brachten sie die
Hauptstadt des Pharao Ramses III , im Jemen einen Tempel der Königin von
Saba ans Licht. Ihre neueste Entdeckung waren die Strukturen des
Gilgamesch-Grabes in Uruk im Irak.

Welcher Schatz den Leichnam von Qin Shi wirklich umgibt, wird noch lange
ein Rätsel bleiben: "Die Öffnung des Grabes werden wir nicht mehr
erleben", sagt Catharina Blänsdorf, Restauratorin am Bayerischen
Landesamt für Denkmalpflege. Die Chinesen hätten großen Respekt, die
Grabpyramide des ersten Kaisers zu öffnen. "Man wird durch
Prospektionsanalysen versuchen, mehr über die Schätze im Innern zu
erfahren", so Blänsdorf.

Der Hofschreiber zeichnet 90 v. Chr. ein genaues Bild der Grabkammer -
sein Wahrheitsgehalt ist jedoch noch nicht bewiesen: Qin Shi soll ein
"Modell der Welt" mit ins Grab gegeben worden sein. In der ehemals 115
Meter Pyramide sollen einst Flüsse aus Quecksilber geflossen sein,
Öllampen hätten Sternbilder erstrahlen lassen. Und um den Leichnam gegen
Eindringlinge zu schützen, richteten sich automatische Armbrüste auf die
Tür der Grabkammer.

erschienen am 22. Februar 2006


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Von Xi'An Bis Magnetit

Xi'an: Die Vier-Millionen-Einwohner-Metropole Xi'an ist die Hauptstadt
der chinesischen Provinz Shaanxi. Sie war 1120 Jahre unter dem Namen
Chang'an bis 1368 die erste Hauptstadt des Kaiserreichs China.

Shaanxi: Die Provinz liegt im Herzen Chinas und ist leicht mit der
Provinz Shanxi zu verwechseln. Durch das 205 800 Quadratkilometer große
Shaanxi fließt der Fluß Wei. Sie grenzt an die Provinzen Innere
Mongolei, Shanxi, Henan, Hubei, Sichuan, Gansu und Ningxia.

Nekropole: Der Begriff kommt vom griechischen Nekropolis ("Totenstadt")
und bezeichnet eine größere Begräbnis- und Weihestätte des Altertums
oder der vor- und frühgeschichtlichen Zeit.

Terrakotta: Plastiken, Reliefs und Skulpturen aus Terrakotta (vom
italienischen "terra cotta": gebrannter Ton) sind aus vielen Kulturen
bekannt. Die ersten Gegenstände aus gebranntem, glasierten Ton wurden um
23 000 v. Chr. geschaffen.

Magnetometer: Ein Magnetometer ist ein sensorisches Gerät, das
Schwankungen des Erdmagnetfelds im Boden mißt. Denn verborgene
archäologische Strukturen verursachen durch ferromagnetische Minerale
minimale Unregelmäßigkeiten im Magnetfeld. Geophysiker messen mit dem
Magnetometer alle 25 Zentimeter bis zu zwei Meter tief in den Boden und
tragen die Abweichungen auf einem Magnetplan ein. So kann man
unterirdische Holzbauten, Mauern oder Blindgänger aus dem Zweiten
Weltkrieg entdecken.

Cäsium-Magnetometer: Früher wurden vor allem mechanische Magnetometer
(Feldwaagen, Torsionsmagnetometer) benutzt. Sie wurden von
elektronischen und atomphysikalischen Magnetometern abgelöst:
Saturationskern-Magnetometer, Protonenpräzisions-Magnetometer und
optisch pumpende Magnetometer (wie das Cäsium-Magnetometer). Das
Cäsium-Magnetometer mißt auf weniger als ein Millionstel des
Erdmagnetfeldes präzise - damit ist es derzeit am genauesten.

Ferrimagnetische Minerale: Bereits 1955 wurde entdeckt, daß
ferrimagnetischer Maghemit (von lat. "ferrum": Eisen) bei Waldbränden
und an Feuerstellen entsteht und sich im Boden anlagert. Ab 1980 fand
man heraus, daß auch alte Holzbauten durch magnetischen Magnetit im
Untergrund zu orten sind.

Maghemite und Magnetit: Das braune Mineral ist stark magnetisch und
entsteht aus Magnetit durch Verwitterung. Magnetit findet sich wiederum
in ehemaligen Abfallgruben, Gräben, Pfostenlöchern oder Palisaden und
kann deshalb vom Magnetometer aufgespürt werden. (hpakr)

http://www.abendblatt.de/daten/2006/02/22/536089.html

 

with kind regards,

Matthias Arnold (Art-Eastasia list)

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http://www.fluktor.de

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