Welt, 24. Dezember 2005
Anhaltender Boom für Chinesische Kunst
Letzte Auktionen des Jahres: Asiatische Kunst bei Lempertz und Klefisch
zu Köln
von Marianne Hoffmann
Es waren die Kunstwerke aus China, die reißenden Absatz in der letzten
Auktion des Jahres im Kunsthaus Lempertz fanden. Ob es nun die
Skulpturen mit einer Reihe bedeutender buddhistischer Objekte,
Porzellan, Keramik, Kunstgewerbe , Malerei oder aber Textilien und
Lackarbeiten waren, sie wurden alle von zahlreichen chinesischen Saal-
und Telefonbietern auf ein Vielfaches ihrer Taxen gehoben.
Ein großer sitzender Buddha aus dem 18.Jahrhundert war stark umworben.
Die aus einer alten Privatsammlung stammende, feuervergoldete, sehr fein
gravierte Bronze geht formal auf die zentrale Tempelstatue des
Haupttempels von Lhasa zurück. Mit 85 000 Euro schon hoch bewertet,
stieg sie rasant auf 125 000 Euro.
Noch größer war der Sprung für eine aus derselben Sammlung stammende,
reizvolle Darstellung eines in das 16/17. Jahrhundert datierten Guanyin
auf einem Lotossockel. Er wurde mit 84 000 (32 000) Euro von einem
Chinesen übernommen. Ein Weltenwächter des 16./17. Jahrhundert konnte
seine Taxe von 30 000 auf 60 000 Euro verdoppeln. Eine tibetische
dreiköpfige, mit sechs Armen versehene Verkörperung des
Guhyasamaja-Tantras, im 17. Jahrhundert (oder schon früher) entstanden,
stieg von 22 000 auf 26 000 Euro. Noch größeres Interesse weckte ein
sitzender Budai aus der Qing-Zeit, den entschlossene Bieter von 3500 auf
27 000 Euro steigerten. Sogar noch höher kam ein Guandi, ebenfalls aus
der Qing-Zeit, der von 3500 auf 37 000 Euro stieg. Um ihn rangen Saal-
und Telefonbieter lange und leidenschaftlich.
Beim chinesischen Kunstgewerbe gab es ein überaus lebhaftes Interesse an
Cloisonné Objekten. Eine Schale mit verdicktem , feuervergoldetem Rand,
innen vergoldet und auf drei goldenen Schafen ruhend, kam , trotz
kleiner Macken, von 4000 auf 12 500 Euro. Ein paar Drachen in Hellblau
mit grünen Schuppen ließen ihren Schätzwert von 1500 Euro weit hinter
sich. Erst bei 13 000 Euro hob niemand mehr den Arm. Ganz im olympischen
Geist noch höher: Ein geschnitztes braunes Nashorn, das von 6000 auf 28
000 Euro kam und fünf Nashornbecher aus dem 19. Jahrhundert, die Sprünge
von 400 bis 11 500 Euro machten.
Diese Steigerungseuphorie übertrug sich auch rasant auf die chinesische
Malerei. Um 1680 datiert war eine anonyme Malerei, die einen Buddha im
Meditationssitz auf einem Lotos darstellt. Sie kam von 4000 Euro auf 31
000 Euro. Eine Querrolle "In der Art von Bian Wenjin", die zwei
Bachstelzen am Ufer eines Baches zeigt, stieg von 3000 auf 12 000 Euro.
Nicht unerwähnt bleiben soll ein großer blau-weißer Pinselbecher aus dem
Bereich des chinesischen Porzellans, der die Sechszeichenmarke Kangxi
trägt. Moderate 1500 Euro trieben die Interessenten dazu an, erst bei 30
000 Euro aufzugeben. Quote nach Wert für China: 120 Prozent, nach Losen
99 Prozent. Mehr als 80 Prozent der Käufer kamen aus China und Singapur.
Eine Auktion Asiatischer Kunst besteht aber nicht nur aus chinesischen
Kleinodien. Hier sind wie immer Netsuke gefragt. Je seltener, um so
teurer. Wenn die Provenienz dann auch noch so prominent ist, wie die
Sammlung des Viscount Bearstead, steigt das Interesse und die Spannung.
Ein nur 12,4 cm hoher Sennin mit Fliegenwedel konnte so seine hohen
geschätzten 15 000 Euro bestätigen. Die Bezeichnung Sennin bedeutet
wörtlich Bergmensch und weist auf das zurückgezogene Leben eines
Einsiedlers hin. Daneben gab es außer an den Netsuke auch noch reges
Interesse feinen Goldlackarbeiten oder aber einer kleinen Elfenbein-Etagère.
Trudel Klefischs Auktionshaus gehört zu den Spezialisten in Sachen
Asiatische Kunst. Zur 83. Auktion konnte das Haus einen vollen
Auktionssaal und zahlreiche Telefonbieter vom Angebot überzeugen. Auch
hier waren es die chinesischen Angebote, vor allem die chinesische
Malerei, die hervorragende Ergebnisse brachten. Hervorzuheben sind zwei
Tusche-Bilder von Qi Baishi, die für 11 000 und 15 000 Euro abgegeben
wurden. Sie lagen damit im Rahmen ihrer Taxe. Die Malerei von Zhang
Daqian, der zu den bekanntesten Künstlern des 20. Jahrhunderts in China
zählt (er starb 1983) und für seine Lotosdarstellungen bekannt war ,
stieg von 4/5000 Euro auf 6000 Euro.
Bei den Netsuke, für die das Haus Klefisch in besonderem Maße steht, kam
der 2.Teil der Sammlung Noetzel zum Aufruf. Noetzel war Fachmann und
Sammler besonders von Porzellan-Netsuke. 1985 veröffentlichte er ein
Buch zum Thema. Die ausdrucksstarke Studie eines Kriegers, Kan-u,
überzeugte durch feinste geschnitzte und gravierte Details. 4500-5500
Euro waren geschätzt, doch erst bei 13 000 Euro war das Bietgefecht zu
Ende. Fünf Ratten zu einem Knäuel geformt aus Obstholz , nur 2,8 cm
groß, erbrachten 9000 (5-6000) Euro. Für das Auktionshaus Trudel
Klefisch war dies eine überaus erfolgreiche Auktion.
http://www.welt.de/data/2005/12/24/822422.html
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Welt, Sa, 14. Januar 2006
Zwischen Hongkong und New York
Asiatika-Markt: Höchstpreise für Spitzenstücke bei selektivem Kaufverhalten
von Eva Hanel und Gerhard Charles Rump
Einer der expansivsten Märkte, der sich in den letzten Jahren weltweit
enorm entwickelte, ist der der asiatischen Kunst und der Asiatika
generell (Kunsthandwerk, Kultgegenstände). Die internationalen
Auktionshäuser Christie's und Sotheby's versteigern in Hongkong, wo sich
aus naheliegenden Gründen der wichtigste Marktplatz befindet, in New
York, dem Ort mit dem zweitgrößten Umsatzvolumen, gefolgt von London und
Paris, die in etwa gleichrangige Umsätze aufweisen. In London stärkt den
beiden internationalen Auktionsgiganten auch Bonhams den Rücken.
Abgesehen davon, daß sich einige der führenden Händler auf dem Gebiet an
der Themse angesiedelt haben, Eskenazi zum Beispiel. In den
Herbstsessionen wurden in London insgesamt 10,5 Mio. Pfund für Asiatika
umgeschichtet.
In Hongkong erzielten die China-Auktionen bei Christie's im November
umgerechnet insgesamt 76,5 Mio. Euro. Davon kommen auf Kunsthandwerk 26
Mio. Euro, auf klassische chinesische Malerei 13 Mio. Euro, auf moderne
und zeitgenössische Malerei 37,5 Mio. Euro. Sotheby's setzten in
Hongkong global 69,3 Mio. US Dollar für China-Objekte um. Auf
chinesisches Porzellan kommen 14,7 Mio. Dollar, auf die Bloch-Sammlung
mit Kunsthandwerk 8,4 Mio. Dollar, auf klassische Malerei 22,4 Mio.
Dollar und auf zeitgenössische Malerei 9 Mio. Dollar. Den höchsten in
Asien bewilligten Zuschlag in der Höhe von 14,8 Mio. Dollar verbuchten
Sotheby's am 23.10.05 in Hongkong für Qing Porzellan (1644-1911) mit der
Guyuexuan "Pheasant" Vase, die in einem Extrakatalog angeboten und vom
Kunsthändler William Chak ersteigert wurde.
In New York vermeldeten Sotheby's im September 13,8 Mio. Dollar, wovon
12,7 auf Keramik und Kunsthandwerk kamen. Weitere 2,1 Mio. erzielten
Buddha-Darstellungen, die jedoch nicht ausschließlich chinesisch sind,
sondern auch aus Indien, dem Himalaya, Burma, Thailand usw. auf den
internationalen Markt kommen. In Deutschland gehört im Bereich des
Handels mit Himalaya-Kunst Peter Hardt aus Radevormwald zu den führenden
Anbietern.
Paris wartete im November mit vier China-Auktionen auf. Die Drouot
Holding Versteigerer Beaussant-Lefèvre und Piasa, sowie die unabhängigen
Tajan und Christie's France verbuchten insgesamt 17,3 Mio. Euro und
verzeichneten zwei Weltrekorde. Sotheby's haben weder eine
Asiatika-Abteilung noch entsprechende Auktionen in Paris. Einen
sensationellen Weltrekord für chinesische Malerei heimsten Christie's
mit 6,06 Mio. Euro für eine imperiale Gemälderolle ein. Zwei Hofmaler
des Kaisers Qianlong (1736-1795) aus der Qing-Dynastie fertigten diese
minutiöse Beschreibung eines "Festbanketts in den Gärten des Westens" um
1748 an. Das in aufgerolltem Zustand 5,6 Meter lange Gemälde wurde in
seiner Original-Lackschachtel in der Familie des ehemaligen
französischen Staatspräsidenten Paul Douwer (1857-1932) aufbewahrt, der
um 1900 Generalverwalter von Indochina war. Den zweiten Weltrekord in
der Höhe von 4,36 Mio. Euro verbuchte Tajan am 21.11.05 für eine
weiß-blaue, bauchige Chinavase aus der Yongle- Zeit (Chengzu, 1403-1424).
Die wie Seismographen reagierenden Experten konstatieren, daß die Käufer
im Moment extrem selektiv sind. Philippe Delalande von der Christie's
France Asiatika- Abteilung erklärt: "Auf Grund der Top-Preise, die in
den letzten Jahren auf dem Asiatika-Markt gezahlt wurden, kommt viel
frische Ware in die Auktionen. Die Zahl der Käufer wird jedoch nicht
größer. Die Auswahl konzentriert sich deshalb auf perfekt erhaltene
Objekte, für die wir allerdings verblüffende Summen erzielen. Am 12.
Juli fuhr ein blau-weißer Krug aus der Yuan-Dynastie (Mitte des 14.
Jahrhunderts, wahrscheinlich Shundi [Togontemur], 1333-1368) den
Weltrekordpreis von 22,7 Mio. Euro für ein asiatisches Kunsthandwerk in
London ein."
Der Pariser unabhängige Experte Thierry Portier, der für die meisten
Auktionatoren arbeitet, die Asiatika versteigern (Piasa, Tajan,
Beaussant-Lefèvre), schüttet allerdings einen Wermutstropfen in diese
Preis-Euphorie: "Wir haben in Paris ein völlig anderes System als in
London. Auf den Pariser Auktionen, auch bei Christie's, liefern
Privatleute ein, eventuell Antiquitätenhändler aus der Provinz, die
keine internationalen Kontakte haben. Wogegen in London die bedeutenden
Händler ihre besten Objekte einliefern und dann die hohen Preise
bewilligen, weil sie selbst die größten Kunden kontaktierten". Für den
Londoner Spitzenhändler Giuseppe Eskenazi ist der Asiatika- Handel der
einzige wirklich weltweite Markt, der - allerdings nicht nur - von China
aus gepuscht wird, trotz des raschen Schlusses, daß die Chinesen immer
reicher würden, und ihr spezifischer Markt diesem Trend preislich folge.
In Paris bewahrheitete sich Eskenazis Analyse, denn die Hauptkäufer
waren anglo-amerikanische Galerien.
In Deutschland, so haben die Auktionen bei Lempertz und Nagel gezeigt
(WELT v. 24. und 10. Dezember), spiegelt sich dieses Bild durchaus - nur
daß hier die Kunden bis zu 90 Prozent aus Asien kommen.
http://www.welt.de/data/2006/01/14/830987.html
with kind regards,
Matthias Arnold (Art-Eastasia list)
http://www.chinaresource.org
http://www.fluktor.de
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