September 07, 2005: [achtung! kunst] Streiter für Ostasiens Anerkennung (Lothar Ledderose) |
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China steht für Niedriglöhne, Arbeitswut und boomende Hochhausstädte, Japan für Wirtschaftssklerose und historische Unbelehrbarkeit, Korea für einen möglichen Atomkrieg, und Vietnam kämpft mit der Vogelgrippe: Ostasien wird heute entweder ängstlich oder staunend, selten aber bewundernd betrachtet. Und trotz aller Asienmoden ist die Kenntnis der ostasiatischen Kulturen meist nur etwas für Fachleute. Dabei ist es die Kultur, aus der etwa China seine Kraft, sein Selbstbewusstsein bezieht. Das macht einem Lothar Ledderose im Gespräch schnell deutlich. Dabei sollte man annehmen, dass der Professor für ostasiatische Kunstgeschichte an der Universität Heidelberg noch ein wenig geschockt ist. Immerhin erfuhr er am Dienstagmittag gerade erst, dass ihm der mit einer Million Franken dotierte Balzan-Preis zugesprochen wurde. Doch Ledderose hat eine Mission, die keine Ruhe gibt, er will dem Westen den Osten nahe bringen. Solche Energie macht nicht nur Freunde, mancher kritisiert schon mal verhalten den Einfluss des Professors, der stolz berichtet von seinen Studenten, die jetzt an den Ostasiatica-Sammlungen und Ostasien-Instituten in den USA Karriere machen. Ein Erfolgsmensch zweifellos, der nicht nur die üblichen Artikel, den Katalog der chinesischen Gemälde im Berliner Museum für Ostasiatische Kunst oder Vorträge verfasst, sondern auch Ausstellungen mit organisiert hat wie die 1985 in West-Berlin gezeigten Schätze aus der Pekinger Verbotenen Stadt, die Terracotta-Armee, die 1991 in Dortmund zu sehen war, oder 1993 wieder in Berlin "Japan und Europa". Und das Heidelberger Institut, an das er 1976 im Alter von nur 33 Jahren als Nachfolger seines Doktorvaters berufen wurde, ist inzwischen eine selbst für chinesische Studenten attraktive Forschungsinstitution geworden. Dass die schweizerisch-italienische Balzan-Stiftung sich Ostasien zuwendet, lag zwar in der Luft; schließlich biedert sich die Regierung Berlusconi derzeit der Volksrepublik China mit Ausstellungen, Reisen oder Sondervorstellungen auf der Kunst-Biennale in Venedig geradezu an. Dennoch ist der Preis eine Sensation: Ledderose ist nach dem Universalisten Ernst H. Gombrich und dem Palladio-Forscher James Ackerman erst der dritte Kunsthistoriker, der den Preis erhält. Und so viel Geld hat noch nie ein Forscher über ostasiatische Kultur zur Verfügung gehabt wie nun er. Einsetzen will es Ledderose zum Teil für die Erforschung von in Stein geschlagenen heiligen Schriften des Buddhismus. http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/politik/480532.html
BZ, 07. September 2005 Sechs Forscher aus den USA, England, China und Deutschland erhalten in diesem Jahr den Balzan-Preis. Das gab die italienischschweizerische Balzan-Stiftung gestern in Mailand bekannt. Der Preis, der als eine der wichtigsten internationalen Wissenschaftsauszeichnungen gilt, wird in vier Fachgebieten vergeben, die jährlich neu festgelegt werden. Jeder Preis ist mit 1 Million Schweizer Franken (etwa 650 000 Euro) dotiert. Der Kunsthistoriker Lothar Ledderose von der Universität Heidelberg erhält einen Preis für seine Forschung über chinesische und japanische Kunst. Er ist der zwölfte Deutsche unter bisher 106 Ausgezeichneten. Das britische Ehepaar Rosemary und Peter Grant von der Princeton University in den USA erforscht seit mehr als 30 Jahren auf den Galapagos-Inseln das Leben der Darwinfinken und wird dafür mit dem Preis für Populationsbiologie gewürdigt. In der Kategorie Sozial- und Kulturgeschichte der Stadt seit Anfang des 16. Jahrhunderts wird Sir Peter Hall vom University College London für seinen Beitrag zur Ideengeschichte der Stadtplanung ausgezeichnet. Den Preis im Fachgebiet Mineralphysik teilen sich der US-Amerikaner Russell Hemley und der Chinese Ho-kwang Mao von der Carnegie Institution of Washington. Gemeinsam entwickelten sie Methoden zur Untersuchung verschiedener Stoffe unter extremen Druck- und Temperaturverhältnissen. Die Stiftung mit Sitz in Mailand und Zürich trägt den Namen des italienischen Journalisten Eugenio Balzan (1874 bis 1953). Seine Tochter Angela Balzan gründete die Stiftung 1957 im schweizerischen Lugano aus dem Erbe ihres Vaters. 1961 wurde der erste Balzan-Preis vergeben - an die Nobelstiftung. Seit 1979 werden jährlich vier Wissenschaftspreise verliehen. Alle drei bis fünf Jahre wird außerdem ein mit 2 Millionen Franken (etwa 1,25 Millionen Euro) ausgestatteter Balzan-Preis für Frieden, Humanität und Brüderlichkeit unter den Völkern vergeben. Erste Balzan-Friedenspreisträgerin war 1978 Mutter Teresa, die im folgenden Jahr den Friedensnobelpreis erhielt. Die Preisträger sowie die Fachgebiete der Preise werden von einem internationalen Komitee bestimmt, dem zurzeit 19 renommierte Natur- und Geisteswissenschaftler angehören. Ebenfalls gestern gab das Gremium bekannt, in welchen Kategorien im kommenden Jahr Balzan-Preise vergeben werden: in der Geschichte der abendländischen Musik seit 1600, in der Geschichte und Theorie des politischen Denkens, in der beobachtende Astronomie und Astrophysik sowie in der Molekulargenetik der Pflanzen . Die Verleihung der Preise erfolgt in jährlichem Wechsel in der Accademia Nazionale dei Lincei in Rom sowie - wie in diesem Jahr am 11. November - im schweizerischen Parlament in Bern. (mk.) Weitere Informationen: http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/wissenschaft/480615.html
__________________ with kind regards, Matthias Arnold
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