Welt, 1. August 2005
Rekordsummen für geschmuggelte Bilder von Chinas letztem Kaiser
Johnny Erling
Eigentlich waren die Bilder zur Altersversorgung gedacht, die Pu Yi
(1906-1967), Chinas letzter Kaiser 1922 aus dem Palastmuseum entwendete.
Jetzt sind die Kalligraphien und Gemälde nach China zurückgekehrt, als
neue Rekordmarken des internationalen Kunsthandels.
Die aus Japan eingelieferten Kunstgegenstände waren die Höhepunkte der
Jubiläumsauktion des Auktionshauses Sungari zu seinem zehnjährigen
Bestehen. Allein fünf Gemälde aus der Song-Zeit (960-1279) erzielten 66
Millionen Yuan (rund sieben Millionen Euro), der höchste Preis von alter
Malerei, der je in China erzielt wurde.
Der letzte Herrscher der Mandschu-Dynastie hatte auch nach seiner
Absetzung im Revolutionsjahr 1911 weiter im Kaiserpalast leben dürfen.
Mit Hilfe seines Bruders Pu Jie schmuggelte Pu Yi insgesamt 1285
Rollbilder, 502 klassische Bücher, 69 bemalte Fächer und 45 Stempel aus
der Palastbeständen heraus, um so zu Geld zu kommen. Bislang kamen erst
60 Gemälde über Auktionen wieder nach China zurück.
Besonders ein vier Meter langes Rollbild "Versammlung der Gelehrten im
westlichen Garten" des Hofmalers Li Gonglin (1049-1106) löste
Bietgefechte aus, die mit Applaus im Saal bedacht wurden. Der
Ausrufpreis begann bei zehn Millionen Yuan. Ein taiwanesischer
Unternehmer erhielt den Zuschlag bei 25 Millionen. Auktionator Zhao Yu
sprach vom höchsten Preis, der bisher im freien Handel für ein einst zur
kaiserlichen Palastsammlung gehörendes Bild gezahlt wurde.
Allein umgerechnet 5500 Euro hatten Interessenten zu zahlen, um ein
Bieterschild für die Ersteigerung zu erhalten. Am Ende waren 700 Werke
für insgesamt 443 Millionen Yuan (rund 47 Millionen Euro) verkauft.
Schließlich vertrauen viele Chinesen eher der Kunst als den Kursen der
einheimischen Börse.
http://www.welt.de/data/2005/08/01/753490.html
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Welt, 29. Juli 2005
Chinas letzter Kaiser war ein Schmuggler
Nach seiner Absetzung ließ Pu Yi Kunstwerke aus dem Palast schaffen.
Viele tauchen jetzt bei Auktionen wieder auf
von Johnny Erling
Peking im Jahre 1922. Chinas letzter Kaiser Pu Yi läßt sich Kunstwerke
aus dem Palastarchiv vorlegen und markiert sie mit seinem roten
Besitzstempel. Er folgt damit einer langen Tradition. Seine Signatur
drückt er am Bildrand exakt unter die roten Stempel, die seine Vorgänger
von Herrscher Jiaqing zurück bis zum großen Kaiser Qian Long (1711 bis
1799) hinterlassen haben. Pu Yi ist jedoch zu diesem Zeitpunkt kein
Kaiser mehr. Er hatte gleich nach der Revolution 1911 abdanken müssen.
Die Republik zeigte sich aber großzügig. Der inzwischen 16jährige durfte
weiter im Gugong, der nun Palastmuseum hieß, wohnen und so tun, als
herrsche er noch.
Aisin-Gioro Pu Yi signierte die kostbaren Bilder nicht nur so, als ob er
noch der Kaiser wäre. Er steckte viele auch gleich für sich ein. Statt
sie ins Archiv zurückzuschicken, wickelte er etwa eine 26,5 Zentimeter
hohe songzeitliche Bilderrolle in ein Tuch, um sie aus dem Gugong zu
schmuggeln. Pu Yi traf Vorsorge für ein Leben außerhalb der
Palastmauern. In seiner späteren Autobiographie "Der letzte Kaiser von
China" schrieb er, daß ihm Eunuchen und Palastdiener die Ausplünderung
der Palastschätze einfach gemacht hatten, als sie die Kulturgüter neu
inventarisierten.
Aus ihren Listen ließ er sich die besten Stücke bringen: "Ich gab dann
vor, sie meinem Bruder Pu Jie zu schenken. Der besuchte mich täglich
nach seiner Schule und konnte so jeden Abend ein Bündel Bilder mit
rausnehmen. Wir schafften in sechs Monaten mehr als tausend Rollbilder,
200 Hängebilder, Albumblätter und 200 songzeitliche Blockbücher aus dem
Palast." Pu Yi verstaute die Kulturschätze in seinem Haus in Tianjin,
verkaufte einen Teil. Andere Bilder nahm er nach Nordostchina mit, wo
ihn die Japaner als Marionettenkaiser einsetzten. Bei der Kapitulation
1945 verschwanden sie.
Für jedes Stück, das er dem Bruder mitgab, hatte der Exkaiser aber eine
Bescheinigung für die Torwachen ausstellen müssen. Später wertete der
Gugong-Archivar Xiang Si die hinterlassenen "Quittungen" im Buch
"Shuxiang Gugong" aus. Das Ergebnis: Vom 13. Juni 1922 bis zum 12.
Dezember hatten sich Pu Yi und Pu Jie 1285 Rollbilder, 502 klassische
Bücher, 69 bemalte Fächer und 45 Stempel verschafft.
"Die diebischen Brüder suchten sich nur die besten Sachen aus", stellt
Kurator Zhao Yu fest. Er schnürt eine antike Bildrolle auf, die ihm ein
Angestellter des Sungari-Auktionshauses aus dem Tresorraum geholt hat.
Es ist die gleiche Rolle, die Pu Yi zuerst stempelte, bevor er sie
einsteckte. Nach achtzig Jahren und verschlungenen Wegen über Pekings
Antiquitätenstraße Liu Lichang über Hongkong bis nach Tokio ist das
songzeitliche Rollbild "Versammlung der Gelehrten im westlichen Garten"
wieder in China. Ein ungenannt bleibender japanischer Besitzer hat das
Gemälde für die Jubiläumsauktion am Wochenende aus Anlaß des
zehnjährigen Bestehens des Versteigerungshauses Sungari eingeliefert.
"Vor drei Jahren kamen wir dem Bild auf die Spur, den Besitzer konnten
wir überreden, es auf die Auktion zu geben", sagt Zhou Yu. Der
Startpreis wird zwischen 1,2 und 1,6 Millionen Euro liegen.
Der 65jährige Kurator Zhao Yu, der vor seiner Pensionierung im
staatlichen Amt für Kulturgüter arbeitete und Vizerektor am Institut für
chinesische Malerei war, trägt weiße Handschuhe und fixiert das Gemälde
mit einem Beschwerer aus schwarzem Marmor. Es rollt sich auf dem
langgezogenen Tisch ganz leicht ohne Knitterfalten oder Risse auf. Über
der ersten auftauchenden Figurengruppe steht jeweils der Name der
dargestellten Person. Maler Li Gonglin (1049 - 1106) verwendete für
seine Tuschezeichnung raffinierte Schattierungen, als er in kaiserlicher
Auftragsarbeit die 16 seinerzeit bedeutendsten Künstler und Gelehrten
porträtierte. Er zeigt sie, wie sie dichten, spielen, lesen,
kalligraphieren oder die chinesische Geige zupfen. Im Hintergrund
wachsen Farne, Kiefern oder Bambushaine. Spätere Betrachter am Kaiserhof
haben sich davon zu "ti-ba" animieren lassen, das sind Bildaufschriften
mit Kommentaren oder Gedichte. "So viel kunstvoll angeordnete
Kalligraphien habe ich selten gesehen" sagt Zhao.
Chinas Museen haben komplette Inventarlisten über den einstigen
Ausverkauf, Raub oder Verlust der Nationalschätze, die heute in alle
Welt verstreut, in europäischen Museen und im Besitz von Privatsammlern
sind. Über Auktionen kommt nun aber ein kleiner Teil zurück.
Einlieferungen aus dem Ausland sind seit 1995 möglich. Die Kulturgüter
können frei versteigert werden, falls der Staat kein Vorkaufsrecht
geltend macht. Eine pragmatischere Auktionspolitik, das neue Interesse
sowie die gestiegene Kaufkraft chinesischer Sammler und Unternehmer
zahlen sich aus. "Das Vertrauen im Ausland steigt. Wir kriegen immer
bessere Stücke für unsere Auktionen" sagt Zhao.
Mehr Einlieferungen kommen auch deshalb, weil Bilder und Kalligraphien
heute in China bessere Preise erzielen können als in New York oder
London. Dort dominieren Porzellane oder Bronzen. In der chinesischen
Fachzeitschrift "Der Sammler" plädiert Zhao Yu für noch weitere Reformen
des Auktionswesens in China. Noch gebe es zu viele Hindernisse, um
international wettbewerbsfähig zu sein, von der Devisenkontrolle über
unvernünftige Zölle und Abgaben bis hin zur schwierigen Lage der Museen
in China, die keine Etats haben.
Chinas Käufer finden aber immer mehr Geschmack an der alten Kunst ihres
Landes. In New York oder London kommt bei Asiatika-Auktionen oft schon
jeder fünfte Bieter aus China. In Deutschland liegt der Prozentsatz noch
höher, hier sind es bis zu 70 Prozent. Noch stärker blüht das Geschäft
im Inland. Das Auktionshaus Sungari, hinter dessen Gründung 1995 das
Handelsministerium stand, ist heute eines der sechs großen
Auktionshäuser für Kunst in China. Zusammen setzten die sechs Häuser
2004 über 310 Millionen Euro um, dreimal mehr als im Jahr zuvor. Mehr
als ein Drittel ihres Angebots kommt bereits aus dem Ausland. Die
Geschäftsführer großer Auktionshäuser wie Sungari oder Guardian fliegen
zu Einkäufen ständig ins Ausland.
Nach Zahlen der Kulturbehörde kamen zwischen 1999 bis 2003 bereits 23
000 Stücke zu inländischen Versteigerungen aus dem Ausland. "Der Trend
geht zu zahlungskräftigen chinesischen Käufern" sagt Zhao Yu. Bei der
Jubiläumsauktion von Sungari erwartet er neue Rekorde. "Das wird eine
"gehaltvolle Auktion, die internationalen Vergleich nicht scheuen
braucht", sagt Zhao Yu. Die teuerste und längste Bildrolle (32 x 1717
Zentimeter) mit den Motiven "Hundert Blumen" wird mit zwei Millionen
Euro ausgerufen. Sie wurde in der Mingzeit von Zhou Zhimian (1522 -
1620) gemalt. Auch sie gehört zu den Bildern, die einst der letzte
Kaiser Pu Yi für sich einstecken ließ.
http://www.welt.de/data/2005/07/29/751996.html
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Matthias Arnold
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