May 01, 2005:

[achtung! kunst] Köln: Der Himmel in der Pinselspitze - Berlin: Über Schönheit - Leipzig Markleeberg: Terrakotta-Armee (I, II, III, IV) - Hamm: Pflanzenmenschen (Ren Rong)
 
     
 


Kölner Stadtanzeiger, 29.04.05
Chinesische Malerei in Köln

Köln - Chinesische Malerei aus dem 20. Jahrhundert zeigt das Kölner
Museum für Ostasiatische Kunst unter dem Titel «Der Himmel in der
Pinselspitze». Die Schau präsentiert das breite Spektrum der
Tuschmalerei im Spannungsfeld zwischen chinesischer Tradition und
westlich geprägter Moderne, wie das Museum mitteilte.

Zu sehen sind dabei bis zum 25. September auch Werke chinesischer
Künstler, die trotz politischer Verfolgung, Diskriminierung oder einem
Leben im Exil immer wieder zum Pinsel griffen. Charakteristisch für die
chinesische Kunstszene des 20. Jahrhunderts ist nach Museumsangaben eine
Vielfalt von Themen und Stilen. Dieser Pluralismus habe sich parallel zu
der bewegten Geschichte etwa mit chinesisch-japanischem Krieg
(1937-1945), Kulturrevolution (1966-1976) und der rasanten
Öffnungspolitik der 1980er Jahre entwickelt. Die Exponate zeigen dabei
schwerpunktmäßig den nationalen traditionellen Stil mit Tusche und
leichten Mineralfarben auf Papier. Vorrangige Motive sind Landschaften
und Figuren.

Die Tuschmalerei sei während der Kulturrevolution als staatsfeindlich
gebrandmarkt, viele Maler verfolgt und in Arbeitslager verbannt worden.
Führende Künstler starben in Folge von Misshandlungen, so das
Ostasiatische Kunstmuseum. Erst nach dem Tod Maos 1976 seien
Kunstschulen wieder eröffnet und Vertreter der traditionellen Malerei
rehabilitiert worden. (dpa)

http://www.ksta.de/html/artikel/1112343731744.shtml


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Kunstmarkt.de, 29.04.2005
Quelle/Autor:
Das Haus der Kulturen der Welt sucht nach einem zeitgemäßen
Schönheitsbegriff
Schönheit, ein vergängliches Gut
Kunstmarkt.com/Nicole Büsing

[image] Ravinder Reddy, Tara, 2004

„Der Künstler ist der Schöpfer schöner Dinge.“ Mit diesem Satz beginnt
Oscar Wilde die Vorrede zu seinem Roman „Das Bildnis des Dorian Gray“.
Zur Erinnerung: Der anmutige Jüngling Dorian Gray lässt sich dazu
überreden, seine Seele dafür herzugeben, dass sein schönes Aussehen Zeit
seines Lebens unverändert bleibt und stattdessen sein gemaltes Porträt
altert. Der jugendliche Schönheitswahn wird dem bedauernswerten Beau
jedoch zum Verhängnis, und die Geschichte endet sowohl mit der
Zerstörung des magischen Bildnis des Dorian Gray als auch mit dem
mysteriösen Tod Dorians - das Messer im Herzen, runzelig, alt und
hässlich. Oscar Wildes Künstlerroman von 1890 wirkt aus heutiger Sicht
wie ein romantisches Schauermärchen. Selbstverliebte Dandys und Ästheten
haben im Jahre 2005 längst nicht mehr Hochkonjunktur.

Doch Schönheit und Kunst sind nach wie vor nicht auseinander zu
dividieren, auch wenn in den letzten Jahrzehnten, den Überlegungen
Adornos folgend, der Schönheitsbegriff in den Künsten eher negativ
aufgefasst wurde und das Nicht-Schöne dominierte. Zeit für eine
Umorientierung? Das Haus der Kulturen der Welt in Berlin beleuchtet in
einem umfassenden Projekt das Thema Schönheit von allen Seiten. Ist doch
die Debatte darüber, was schön ist, fast schon so alt wie die Menschheit
selbst. Im Mittelpunkt des Programms steht die Ausstellung „Über
Schönheit“ mit Arbeiten von 24 zeitgenössischen Künstlern aus 16
Ländern. Hinzu kommen eine Tanz- und Performancereihe mit Kompanien aus
Asien und Deutschland, Diskussionsrunden, ein Filmprogramm, ein
Symposium zum Thema „Die sinnliche Stadt“, Präsentationen rund um den
Körperkult sowie eine international besetzte Abschlusskonferenz.

Nähert man sich dem im Volksmund gern als „Schwangere Auster“
bezeichneten Haus der Kulturen der Welt, stößt man sogleich auf Quin
Yufens Installation aus handelsüblichen Wäscheständern und
Seidenstoffen, aufgetürmt im rechtwinkligen, dem Gebäude vorgelagerten
Spiegelteich. Die Außenarbeit ist nicht nur ein Dialog mit der „schönen“
Skulptur des britischen Bildhauers Henry Moore gleich gegenüber, sondern
auch ein Versuch, sich dem Begriff Schönheit in seiner globalen
Wahrnehmung anzunähern. Die chinesische Künstlerin hat nämlich über das
Internet um Kommentare zum Thema Schönheit gebeten und die flatternden
Wäschestücke mit den Antworten bestickt.

Dem chinesischen Kurator Wu Hung, der Direktor des Center for the Art of
East Asia und Professor chinesischer Kunstgeschichte an der University
of Chicago, geht es darum, durch einen interkulturellen Ansatz vom
vorherrschenden westlichen Schönheitsbegriff wegzukommen. So findet man
in der Ausstellung vor allem eine große Fraktion asiatischer Künstler,
die in schmerzvollen Selbstfindungsprozessen agieren, transzendente
Wahrnehmungsexperimente mit der Landschaft und dem eigenen Körper
vollführen oder in traumartigen Multimedia-Installationen von
Verführung, Gefahr und dem eigenen Tod erzählen.

Da kommen die Arbeiten der in Europa und Nordamerika lebenden Künstler
realitätsverbundener und abgeklärter daher. Arbeiten internationaler
Kunststars wie Nam June Paiks TV-Installation „Moon Is The Oldest
Television“ aus den 1960er Jahren oder Cindy Shermans fotografische
Inszenierungen des Unschönen und Abstoßenden aus den 1980er Jahren sind
schon häufig gezeigt worden. Der Düsseldorfer Hans-Peter Feldmann
verkauft in der Ausstellung seine Fotoillustrierte „Babel # 07“ für den
üblichen Zeitschriftenpreis von 4 Euro. Die 40seitige Ausgabe „Beauty“
mit dem beigelegten Fotoroman „Beauty is the Boss“ hat Feldmann aus
seinem riesigen Bildarchiv zusammengestellt, das er seit den 1960er
Jahren aufbaut, pflegt und künstlerisch verwertet. „Beauty“ besteht
ausschließlich aus farbigen Werbeanzeigen für Kleidung, Parfüm, Kosmetik
und Luxusprodukte im Retrolook der 1970er und 1980er Jahre. Das
Schönheitsideal der Models überlebte damals eine ganze Dekade. Heute
hält der New Look oft nur eine Saison.

Während Feldmanns Beitrag zur Schönheitsschau eher unauffällig,
demokratisch und für jeden Ausstellungsbesucher erschwinglich als
ungewöhnliches Printmedium im gängigen Zeitschriftenformat daherkommt,
setzt die aus dem Iran stammende New Yorkerin Shirin Neshat ganz auf
große Emotion. Ihre Filmerzählung „Passage“ von 2001 ist unterlegt mit
einem pathetischen Soundtrack des New Age-Komponisten Philip Glass.
Schwarz verhüllte arabische Frauen im Tschador schaufeln mit bloßen
Händen ein Grab. Eine Männergruppe trägt einen in weißes Tuch gehüllten
Körper durch die Wüste, und ein kleines Mädchen errichtet einen
Steinkreis. Die rätselhaften Bilder Neshats entfalten ihre fesselnde
Wirkung durch eine an Kitsch und Rührseligkeit grenzende
Überinszenierung in schönster Hollywood-Manier. Ist schön, was gefällt,
was bewegt, was die Sinne berührt, was ästhetisch überzeugt oder gar,
was abstößt?

Die Ausstellung „Über Schönheit“ kann und will auf diese Fragen keine
Antworten geben. Das Gesamtprojekt im Haus der Kulturen der Welt will
einen neuen Diskurs eröffnen und den Schönheitsbegriff neu diskutieren.
Von Konfuzius, Kant über Schiller bis hin zu Oscar Wilde, Adorno und
Hans-Georg Gadamer beschäftigten sich große Denker, Dichter und Künstler
mit den Themen Schönheit und Ästhetik. Die Debatte ist also nicht neu.
Dorian Gray aber hätte dem alten Sprichwort vertrauen sollen: „Schön
währt nicht lange.“

Die Ausstellung „Über Schönheit“ bis zum 15. Mai zu sehen. Geöffnet ist
das Haus der Kulturen der Welt Dienstag bis Sonntag von 12 bis 20 Uhr.
Der Eintritt beträgt 3 Euro, ermäßigt 2 Euro. Der 224seitige Katalog
kostet 28 Euro. Das vollständige Programm ist im Internet unter
www.ueber-beauty.com einsehbar.

Kontakt:
Haus der Kulturen der Welt
John-Foster-Dulles-Allee 10
D-10557 Berlin
Telefon:+49 (030) 397 870
Telefax:+49 (030) 394 86 79
E-Mail: info@hkw.de
Startseite: www.hkw.de

http://www.kunstmarkt.de/pagesmag/kunst/_id77987-/ausstellungen_berichtdetail.html?_q=%20+...mehr


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Leipziger Volkszeitung, Samstag, 30. April 2005
Formation weist Lücken auf

Gestern präsentierte Freyer der chinesischen Delegation aus der Provinz
Shaanxi, wo 1974 Bauern beim Brunnenbau auf die Tonfiguren-Armee
stießen, und der Presse die komplette Ausstellung: 80 Originale aus der
Zeit des ersten chinesischen Kaisers Qin Shihuang zieren seine Schau,
darunter 12 Soldaten vom Offizier bis zum Wagenlenker und zwei Pferde.

Sie alle sind hinter Glas in der Rotunde des Museums versammelt. Tafeln
erläutern in Deutsch und Englisch die chinesische Kunst und Kultur, die
Waffengattungen, den Werdegang des Kaisers und die Rekonstruktion seines
Mausoleums, für das die rund 8000 Terrakotta-Soldaten vor mehr als 2200
Jahren gefertigt worden waren. So viele alte Exponate mitsamt den
Pferden wie in Markkleeberg seien noch nie außerhalb Chinas zu sehen
gewesen, wirbt Freyer für seine Darstellung der Qin-Zeit. Jing Tian von
der Shaanxi-Delegation bestätigt das. Das klimatisierte Gebäude werde
rund um die Uhr bewacht, so Freyer. Allein der Versicherungswert der
Exponate betrage knapp 40 Millionen US-Dollar. Wie berichtet, zählt der
Fund in China zum Weltkulturerbe der Unesco. Die Originale sollen nach
einem Jahr in anderen Museen gezeigt werden, an ihre Stelle andere
Exponate aus der Provinz Shaanxi rücken.
Click here to find out more!

Für acht Jahre hat Freyer das Museum gepachtet, so lange bliebe auch die
nachgebaute Terrakotta-Armee im Event-Saal stehen, sagt er. Von den 170
zertifizierten Nachbildungen waren bis gestern jedoch erst gut 40 aus
China eingetroffen. "Fünf Container stehen noch im Hamburger Hafen",
stöhnte Freyer. Er hoffe, bis Sonntag noch zwei weitere in Markkleeberg
zu haben und auspacken lassen zu können.

Jörg ter Vehn

Das Museum hat dienstags bis sonntags von 10 bis 20 Uhr geöffnet.
Erwachsene zahlen 12,50 Euro Eintritt, ermäßigt 9 Euro, Kinder 5 Euro,
Familien 25 Euro.

http://www.lvz-online.de/aktuell/content/165051.html


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LVZ, 27. April 2005
Die Jahrtausende alte Terrakotta-Armee marschiert im Agra-Gelände auf

Sein Hut hat die Form eines Fasanenschwanzes, Backen- und Schnurrbart
rahmen sein Gesicht, den Panzer zieren Quasten. Der Hüne strahlt
Autorität aus – so, wie er da steht, die Hände vor dem Bauch
verschränkt, den linken Zeigefinger nach vorn gestreckt. Ursprünglich
ruhten diese Hände vermutlich auf seinem Schwertknauf. Ein Krieger.

Sieben Statuen, im Halbkreis aufgestellt und geschützt durch Glaskästen,
empfangen die Besucher im ehemaligen Landwirtschaftsmuseum auf dem
Markkleeberger Agra-Gelände. Auf dem Eingangstor steht jetzt „Center for
Chinese Arts and Culture“, die Figuren gehören zur „Terrakotta-Armee“,
die seit zwei Jahrtausenden das Grab des ersten chinesischen Kaisers Qin
Shihuangdi (259-210 v. Chr.) bewacht und seit drei Jahrzehnten als
archäologische Sensation gefeiert wird.

Im Zentrum des Ausstellungs-Halbrunds steht unser Riese: „Ein General
der Terrakotta-Armee, größer als die anderen, weil er einen der höchsten
Ränge in der Hierarchie einnimmt“, erklärt Roland Freyer, Projektmanager
der Firma Classic Art, die das Projekt realisiert. Dem General steht ein
Offizier zur Seite, dazu Vertreter anderer Waffengattungen:
Streitwagenlenker, Bogenschütze, gepanzerter Soldat, Kavallerist. Eine
Figur tanzt aus der Reihe: Sie trägt zivile Kleidung, der Panzer fehlt –
ein kaiserlicher Beamter.

Nur jeweils sechs solcher Staatsdiener und Generäle haben die
Archäologen 35 Kilometer östlich der chinesischen Provinzhauptstadt Xian
bisher entdeckt. Mannschaftsdienstgrade barg die Ausgrabungsstätte
massenhaft: Ursprünglich bildeten schätzungsweise 7000 Soldaten und
niedere Offiziere, 600 Pferde und 100 hölzerne Streitwagen, auf drei
Gruben und Schächte verteilt, eine enorme Schlachtformation. In der
ersten Kammer gab’s das Gros der Armee – mit Vorhut, Hauptteil, Flanken
und Nachhut. Verstärkungseinheiten aus Fußtruppen, Reitern und
Streitwagen standen in der zweiten Grube bereit. Die dritte und kleinste
diente als Kommandostand, die vierte gähnt leer. Insgesamt nimmt das
martialische Aufmarschgebiet eine Fläche von mehr als 2000 Quadratmetern
ein.

Einen Ausschnitt jener ersten Kammer bauen die Aussteller nun in einer
Ex-Agra-Halle nach – für einen sinnlichen Eindruck davon, wie die Gruft
ursprünglich aussah: Reihe um Reihe stehen Kopien der mannshohen
Tonkrieger aus verschiedenen Waffengattungen, in drei Gräben. Drei
Fachleute der chinesischen Denkmalschutzbehörde wachen darüber, dass
alles in Ordnung geht in Leipzig. 82 Originalexponate, davon 14
Soldatenfiguren und zahlreiche Nachbildungen kommen per Schiff und
Flugzeug nach Deutschland. Zwei Jahre dürfen die Stücke in Europa
bleiben, davon eins in Deutschland. Und in ihrer Vielfalt ist diese
Ausstellung zur Terrakotta-Armee bisher weltweit einmalig. „Wir sind
sehr zufrieden, wie die Stücke hier präsentiert werden“, lobt Professor
Tian Jing, einer der Sachverständigen aus der Heimat der Terrakotta-Kunst.

Die füllt übrigens, wie Grabungsarbeiten gezeigt haben, nur einen Teil
der staunenswerten Gruftanlage. Kammer um Kammer entdecken die
Archäologen, gefüllt mit Kulturgegenständen wie Schmuck, Waffen, Münzen
oder Gefäßen. Dabei haben die Forscher noch viel zu tun: Das eigentliche
Kaisergrab unter einem Hügel, ein Stück jenseits des Aufmarschgeländes,
ist noch unberührt. Der Zweck der unterirdischen Armee ist Gegenstand
von Spekulation: Wollte der ebenso visionär begabte wie tyrannische
Kaiser seine Eroberungszüge im Jenseits fortsetzen? Oder sich vor
Gefahren schützen, die der zutiefst geistergläubige Herrscher im Leben
auch nach dem Tod fürchtete?

Als Mahnmal für die Nachwelt dürfte die Armee nicht gedacht gewesen
sein: Niemand außer den eingeweihten Zeitgenossen wusste von ihrer
Existenz. In historischen Quellen, etwa den 120 Jahre später
aufgezeichneten Berichten des chinesischen Chronisten Sima Quian, werden
die Krieger nicht erwähnt; wohl aber, dass alle Beteiligten nach
Abschluss der Bauarbeiten am Grabhügel darin eingeschlossen wurden. Vom
Mausoleum berichtet Quian erstaunliche Details: 700 000 Zwangsarbeiter
sollen dort die Pracht der damaligen Hauptstadt Xianyang und des ganzen
Reiches dargestellt haben. Flüsse und der Ozean aus Quecksilber wurden
mittels Hydraulik in Bewegung gehalten. Über dem Modell spannte sich ein
Sternenhimmel, aufgemalt auf die Kuppeldecke. Zahlreiche Anlagen um den
Grabhügel herum dienten der Verwaltung des Grabbezirkes und den
Kulthandlungen für den toten Kaiser.

Für die Herstellung der Tonsoldaten waren Handwerksmeister
verantwortlich, die an Technik alles aufboten, was in damaliger Zeit
bekannt und für Geld zu kaufen war. Sie gestalteten jede Figur mit einer
individuellen Physiognomie, die nicht nur seine Waffengattung verrät,
sondern auch die Herkunft aus einer der vielen Provinzen des riesigen
Reichs.

Mit Modeln produzierte man liebevoll die Einzelheiten der Gestalten:
Verschnürungsbänder für Uniformen und Sättel oder die Panzerplättchen.
Hände, Füße und Köpfe nahmen auf dieselbe Weise Gestalt an … Nur diese
arbeitsteilige Serienfertigung machte die Herstellung so einer enormen
Zahl von detailgetreuen, überlebensgroßen Tonfiguren überhaupt möglich.
Anschließend brannten die Meister die Figuren im Ganzen, mit Ausnahme
der Köpfe. Wie das angesichts der einfachen Öfen funktioniert hat, ist
ein Rätsel.

Auch die lebensechte Farbgebung ist sensationell, diesmal für Chemiker:
Unter den verwendeten Pigmenten finden sich so genanntes Han-Blau und
Han-Purpur. Im Gegensatz zu den natürlichen Mineraltönungen, sonst von
chinesischen Malern verwandt, sind diese Pigmente künstlich hergestellt,
und diese damals vermutlich einzigartige Technologie für die
synthetische Herstellung von Farben dürfte aus Ägypten importiert worden
sein. Denn das Pharaonenvolk mischte schon im 3. Jahrtausend vor
Christus Kalzium, Kupfer, Silizium und Sauerstoff, um das begehrte
Ägyptisch-Blau zu erhalten. Ein Verfahren, das im Prinzip bis heute
gültig ist. Allein, die Chinesen verfeinerten die Formel, indem sie
Kalzium durch Barium ersetzten; sie erschlossen sich damit eine reiche
Palette an Farbtönen.

Der Mann, dem zu Ehren all der Aufwand betrieben wurde, unterwarf sich
binnen zehn Jahren ein halbes Dutzend zuvor verfeindeter Königreiche.
Dem neuen Großreich gab er seinen Namen, Qin, und sich selbst den
Beinamen Shihuangdi: „erster gottgleicher Herrscher“. Der legte so im
dritten Jahrhundert vor Christus den Grundstein für ein Imperium, das
bis 1911 dauerte. Und noch in der Gegenwart steckt sein Name in der
Bezeichnung der Nation auf dem Boden seines archaischen
Herrschaftsbereiches: China.

„Alles Land unter dem Himmel ist befriedet“, erklärte der siegreiche
Monarch dazumal, hängte sein Schwert an die Wand und überließ die
Politik von da an seinem Kanzler. Der baute eine effektive Verwaltung
sowie allgemeine Rechtsprechung auf und diktierte den unterschiedlichen
Völkern des Reiches eine einheitliche Schrift. Ein Netz von
Überlandstraßen und Kanälen verband das Zentrum mit den Provinzen und
sicherte der Staatsmacht die Möglichkeit, Aufstände alsbald
niederzuschlagen. Nach Norden hin sicherte er das Staatsgebiet und die
Handelsroute der Seidenstraße, indem er bereits bestehende Teile zur
„Großen Mauer“ verband – mit über 6300 Kilometern Länge das größte
Bauwerk der Welt.

Stück für Stück wuchsen derweil die eroberten Landesteile zusammen,
stark militärisch geprägt und weit entfernt von jeder demokratischen
Idee, aber mit durchaus modernen Zügen. Die zentralistische Staatsform
mit dem gottgleichen Kaiser im Mittelpunkt diente allen folgenden
Dynastien als Vorbild. Und irgendwie sie lebt ja auch in der
gegenwärtigen Führung der Volksrepublik fort.

Benjamin Krieger

Die Qin Terrakotta-Armee – Ausstellung im Chinese Center for Arts and
Culture: Agra-Gelände Markleeberg, 1. Mai bis 31. Oktober; Geöffnet:
Di-So. 10-20 Uhr.

http://www.lvz-online.de/aktuell/content/164796.html


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LVZ, 27. April 2005
Drei Fragen an Ausstellungsinitiator Roland Freyer

Wie bekommt man die Terrakotta-Armee nach Leipzig?

Die Idee zu der Ausstellung hatte ich, als die Zeitungen zum ersten Mal
von den Ausgrabungen in Xian berichtet haben. Nach einigen Reisen durch
China hatten meine Frau und ich die richtigen Verhandlungspartner
gefunden. Jetzt dürfen wir acht Jahre lang Exponate der Terrakotta-Armee
in Europa präsentieren.

Sind diese Figuren nicht enorm teuer?

Für uns als Aussteller ist der Versicherungswert relevant, wenn eine
Figur beschädigt wird. Eine Pferdestatue steht mit 2,4 Millionen
US-Dollar in der Liste. Ein Museum in den USA hat aber auch schon 10
Millionen Dollar als Kaufpreis geboten. Wir zahlen natürlich nur
Leihgebühren. Sicherheit ist da wichtig: Die Exponate stehen hinter
Glas, sind alarmgesichert und Wachleute passen rund um die Uhr auf.

Wie lange bleiben die Terrakottakrieger in Markkleeberg?

Die Ausstellung läuft für ein Jahr und danach weiter zu anderen
deutschen und europäischen Ausstellungsorten.

Benjamin Krieger

http://www.lvz-online.de/aktuell/content/164799.html


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LVZ, 27. April 2005
Gigantisches Puzzle und trockener Quark

Mit Spitzhacken und Spaten zieht eine Gruppe Bauern zu ihren Feldern
nahe dem Dorf Xiyang in der zentralchinesischen Provinz Shaanxi. Sie
wollen einen Brunnen bohren, zur Bewässerung der Saat. Statt auf Wasser
stoßen die Männer beim Graben auf Widerstand: Die harte Schicht am Grund
der Grube entpuppt sich als Rücken einer Figur aus gebranntem Ton. Eine
uralte Nachbildung eines Soldaten.

Damit beginnt vor 31 Jahren durch puren Zufall die Entdeckung der
Terrakotta-Armee, der irdenen Wache vor der Gruft des ersten Kaisers von
China. Jene martialische Streitmacht zählt über 7000 Tonfiguren,
schätzen Experten, manche komplett erhalten, die meisten in Scherben.
Bald nach dem Begräbnis brandschatzten damals Rebellen die Gruft und
schlugen die Statuen in Stücke. Im Lauf der folgenden zwei Jahrtausende
brachen die Deckenbalken ein, und Überschwemmungen verschütteten die
Kammern unter Sand. Bis zu 40 Sedimentschichten umschließen heute die
Reste der Armee.

Aufwändig befreien Archäologen in deutsch-chinesischer Teamarbeit die
Figuren vom Schmutz und setzen die Scherben wieder zusammen, wie bei
einem gigantischen Puzzle. Die ursprüngliche Bemalung der meisten
Krieger hat die Jahre in der feuchten Erde überstanden. Doch bei der
Freilegung bleibt sie entweder gleich an der umschließenden Erdschicht
kleben oder zerbröselt wie Quark beim Trocknen.

Einst, zur Beerdigung des Herrschers, waren die Gewänder der Figuren
bunt lackiert, Ärmelaufschläge, Kragen, Hosen und Gamaschen strahlten in
kontrastreichen Kombinationen aus Rot, Orange, Rosa, Dunkelgrün, Blau
und Weiß, weiß Catharina Blänsdorf, Restauratorin im China-Projekt des
Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege: „Die Gesichter zeigen blasse
Töne bis kräftig-rotbraune Farben. Nicht zwei Figuren sind identisch
gestaltet.“
ben

http://www.lvz-online.de/aktuell/content/164800.html


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Westfälischer Anzeiger, 26.04.2005
Einheit und Vielheit
AUSSTELLUNG Ren Rong zeigt in der Otmar-Alt-Stiftung "Pflanzenmenschen"
Die vielgestaltigen Wesen sind bei aller Dialektik "Leben pur"
Von Gisbert Sander
[image] Maos Bildnis ergänzte Ren Rong durch doppelgesichtige Wesen.
Foto: Zimmermann

HAMM · Vielgestaltig greifen sie in den Raum: mit Armen, Beinen und
anderen "Extremitäten", die wie Wurzel-, Blatt- oder Astwerk wirken. Sie
füllen den Bildraum allein, verschmelzen zum Duett, sind einander
zugetan, stoßen sich voneinander ab, sitzen, liegen, stehen, tanzen. So
vielfältig wie das Leben sind diese Wesen - die "Pflanzenmenschen", die
Ren Rong seit Sonntag in der Otmar-Alt-Stiftung zeigt. Ergänzt wird die
umfangreiche Ausstellung durch einige neueste Arbeiten, in denen der bei
Bonn und in Peking lebende chinesische Künstler Einflüsse verarbeitet,
die entfernt an Popart erinnern.

Zu letzteren zählen nicht nur drei Bilder, in denen die Pflanzenmenschen
durch das fotografisch verfremdete Motiv der Lotusblüte ergänzt werden.
Dazu zählt vor allem ein überdimensionales Mao-Bildnis: Das farblich
verfremdete Porträt, das von Propaganda-Plakaten bekannt ist, hat der
44-Jährige mit zahlreichen doppelgesichtigen "Pflanzenmenschen" im
Bereich des "Mao-Anzugs" bestückt - "als Werbung" für seine Kunst, wie
der Künstler auf sportliche Vorbilder wie Michael Schumacher verweist,
dessen Kleidung doch auch voller Werbung sei. Einerseits provoziert Ren
Rong mit diesem kommunistischen Polit-Motiv im kapitalistischen Westen,
andererseits nutzt er es geschickt für seine - wie immer - ganz eigene
künstlerische Aussage.

Tatsächlich hätten seine Eltern als hohe Offiziere in Maos Armee gegen
die Besatzung der Japaner gekämpft, und noch heute habe Mao einen hohen
Stellenwert in China, gestand er im WA-Gespräch. Aber die Politik sei
nur eine Seite des "Multi-Talents Mao": Er sei auch ein hervorragender
Lyriker und Kalligraf gewesen. Es ist nicht nur die Faszination Ren
Rongs für Mao, die sich in diesem rund drei mal vier Meter großen,
mehrteiligen Werk zeigt.

Es ist auch ein Ausdruck seiner Dialektik - wie im gesamten Werk Ren
Rongs: Einheit und Vielheit, das Dasein des Individuums und das des
Gemeinwesens, Bestand und Bewegung sind Bestandteile in allen Arbeiten
dieses Künstlers. Darum macht er auch "Wurzeln" zu seinem Hauptmotiv:
Als Wandler zwischen den so gegensätzlichen Welten des Westens und
Asiens hält Ren Rong an seinen Wurzeln fest, ergänzt sie um neue
Erfahrungen, die er im Okzident macht: Seine "Pflanzenmenschen" sind
entwurzelt und wurzeln doch in der zunehmend multikulturellen
Gesellschaft. Sie sind - wie Ren Rong selbst - in Bewegung, um Zukunft
zu gestalten.

Auf philosophische Aspekte seines Werkes ging auch Professor Dr. Franz
Günter Zehnder, mittlerweile pensionierter Direktor des Rheinischen
Landesmuseums, in seiner Einführung ein: Ren Rong baue auf den reichen,
künstlerischen Traditionen Ostasiens auf, um eigene Wahrnehmungen von
Mensch und Natur zu ergänzen. Mit dem Sprung in den Westen vor rund 20
Jahren habe sich auch seine Formensprache verändert: "Die
Zusammenführung von Tradition und Innovation ist das spannende
Potenzial, aus dem Ren Rong schöpft", so Zehnder.

Technisch handele es sich um Scherenschnitte bei den sehr ornamentalen
"Pflanzenmenschen", die mal eindeutig männlich, mal eindeutig weiblich
und mal zwittrig sein können. Zehnder machte auch aufmerksam auf die
unterschiedlichen Untergründe, auf denen diese Wesen erscheinen: Comics,
Plakate, Stadtpläne und ähnliches, die bei der Interpretation des
jeweiligen Werkes eine Rolle spielen.

Erinnerungen kombiniert mit Erfindungen neuer Welten ergänzten sich in
Ren Rongs Werken zu seiner neuen Kunstsprache, so Zehnder, und die
"Pflanzenmenschen" definierte er als "pures Leben", in dem sich - dem
Prinzip von Yin und Yang folgend - die Teile zu einer Einheit fügen.

http://www.westfaelischer-anzeiger.de/lokales/westfaelischer_anzeiger/story.jsp?id=154597

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with kind regards,

Matthias Arnold
(Art-Eastasia list)


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